INGO HERMANN: "CASANOVA"

Casanova (1725-1798) ist der einzige Gefangene, der aus den Bleikammern des Dogenpalasts in Venedig entkam, sein Name steht für amouröse Abenteuer wie wohl kein zweiter in der Geschichte der Menschheit. So verspricht die Biografie von Ingo Hermann „Casanova. Der Mann hinter der Maske" nicht nur amüsante Lektüre, sondern auch Aufklärung und Erklärung einer der schillerndsten Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts.

Beginnend mit der spektakulären Flucht aus den Bleikammern beleuchtet Hermann die Kindheit und die Ausbildung des jungen Venezianers, wobei er deutlich herausstellt, dass Casanovas anfänglicher Versuch, als Kirchenmann zu reüssieren, von ihm selbst schnell als Irrweg erkannt wurde.

Und schon setzt der Reigen der Liebesaffären ein: Der scheinbare Kastrat Bellino, der in Wirklichkeit eine Theresa war, Signora F., Henriette, C. C. und M. M., Manon, Baronin Roll und Madame Dubois und die Charpillon beschreibt er detailliert. Bis hin zu der Situation, als Casanova zum ersten Mal daran dachte, sich mit der schönen jungen Leonilda zu verheiraten und von deren Mutter darüber aufgeklärt werden musste, dass die junge Frau seine Tochter sei. Dass Casanova daraufhin anbietet, die Mutter zu heiraten, ist Ehrensache und wirft ein bezeichnendes Bild auf seine Persönlichkeit.

Allerdings eine Erklärung dafür, wie diese Persönlichkeit „gestrickt" war bleibt der Autor weitgehend schuldig. Sein Versuch, ihn mit Don Juan zu vergleichen, weist durchaus in eine richtige Richtung, wird aber nur auf seine Liebschaften bezogen und darüber hinaus nicht weitergedacht. Auch das Kapitel über Casanova als „Feminist" führt in keiner Weise zu dem „Mann hinter der Maske", zumal der Begriff Feminist für das 18. Jahrhundert völlig unzeitgemäß ist und überhaupt nichts erklärt, außer, dass Casanovas Umgang mit Frauen respektvoll war und ihnen nicht die Würde nahm. Jedenfalls kann man zu dem Schluss kommen, wenn man seinen eigenen Aufzeichnungen glaubt. Irgendwelche Darstellungen seiner Geliebten sind allerdings nicht überliefert.

Interessante Parallelen zu seinem Liebesleben liefert auch sein übriges Leben. Ebenso unstet reist er durch die Welt, sammelt Kontakte zu den Großen des Jahrhunderts von Voltaire bis zu Friedrich dem Großen. Genau diese beiden lassen ihn ziemlich harsch abblitzen, möglicherweise, weil beide erkannt haben, welche Persönlichkeitsstruktur sich hinter dem Lebemann verbirgt.

Auch die anderen Kapitel über Casanova als „Halbweltmann", als Spieler oder als Geheimagent der venezianischen Inquisition zeigen weitgehend das gleiche Grundmuster eines Getriebenen oder eines unendlich Suchenden auf. Selbst seine schriftstellerischen Leistungen ließen sich hierbei als übersteigerte Selbstdarstellung einordnen.

So schränkt Hermann selbst seinen im Titel erhobenen Anspruch, „Die Biographie" über „Den Mann hinter der Maske" geschrieben zu haben in seinem Fazit zu einem „biographischen Portrait" Casanovas ein. Als solches ist es nicht nur unterhaltsam und amüsant, sondern liefert auch eine Vielzahl von zeitgeschichtlichen Beschreibungen der Lebensweise und des Lebensgefühls der damaligen Zeit. Dass der Autor seinen im Titel gestellten Anspruch nicht erfüllen kann, ist der Tatsache geschuldet, dass er überwiegend Casanovas eigene Darstellungen als Quellen verwenden musste. Anderes Quellenmaterial ist schlicht kaum verfügbar.

Als eine Einführung in das Leben und Wirken Casanovas aber ist das Buch sehr lesenswert und spannend, zeigt es doch anschaulich die vielen Masken, hinter denen sich dieser Mensch zeitlebens verbarg, lässt aber kaum einen Blick hinter eine dieser Masken zu. Vielleicht könnte man mit den Methoden der Psychologie herausfinden, was ihn antrieb: war es Genie oder war es Ausfluss einer Persönlichkeitsstörung?

 

 

 

# Ingo Hermann: „Casanova. Der Mann hinter der Maske. Die Biographie; 335 Seiten, div. Abb.; Propyläen Verlag, Berlin; € 24,95

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