MELISSA JACOBY; "DER VERFÜHRERISCHE CHARME DER DURCHSCHNITTLICHKEIT"

Nach der unerfreulichen Außenseiterrolle, die Theodor Mead Fegley als Hochbegabter bereits als Schüler erlebt hat und dann als 15-jähriger Mathematik-Student an der Chicago University als viel jüngerer und lebensunerfahrener Frischling durchleidet, verwundert es nicht, wenn er sich nun mit 18 danach sehnt, einfach nur noch ein ganz normales Mitglied der ganz normalen Gesellschaft zu sein.

Das ist nun das Thema von Melissa Jacobys Roman "Der verführerische Charme der Durchschnittlichkeit". Eine solche hat Mead nie erlebt, denn er war immer der Hellste unter allen ihm bekannten Menschen gewesen. Zu den Drangsalen des Andersseins kam erschwerend seine kontroll- und herrschaftssüchtige Mutter hinzu und je öfter man von ihr liest, desto mehr versteht man, warum sie für Mead nur "das sechsbeinige Monster" ist.

Als Haupterzählstrang aber breitet sich jetzt Meads Universitätsstudium aus, wo er einerseits mit Leichtigkeit Einser-Noten holt, aber wiederum nicht wirklich dazugehört als eben Pubertierender unter lauten jungen Erwachsenen, Da entwickeln sich seltsam komplizierte Beziehungen zum Kommilitonen David, die ebenso schwer zu durchschauen und zugleich bis zum Schluss von einiger Bedeutung ist, wie auch die zu weiblichen Wesen, denen das studierende Genie mit tapsiger Naivität gegenübersteht.

Eher auf Augenhöhe erweist sich sein Umgang mit den Professoren, schließlich befasst sich Mead wie selbstverständlich mit dem alten mathematischen Tätsel der Riemann-Hypothese. Und die Querelen mit und zwischen den Geistesgrößen wie dem weisen alten Professor Alexander oder dem selbstherrlich-intriganten Dr. Kustrup erscheinen eher normal im Unibetrieb.

Wie Mead sich durch das Studium schlängelt, um es wenige Tage vor der großen Prüfung einfach hinzuwerfen, und wie er unter alten wie neuen zwischenmenschlichen Problemen leidet, bei denen sein hoher IQ eher störend als hilfreich erscheint, daraus hat die Autorin einen zuweilen fast schon schrulligen Campus-Roman verfasst mit viel Innenschau auf das beschwerliche Dasein als Hochbegabter. Das besticht mit hervorragend gezeichneten Charakteren und einem zuweilen dunklen Humor, doch dieses Puzzle mit mancherlei Rückblicken hätte mehr Pepp und Spannung vertragen können. So aber bleibt es bei einem geistreich unterhaltsamen Roman, dessen Zielgruppe eher Jugendliche und junge Erwachsene sind.

 

# Melissa Jacoby: Der verführerische Charme der Durchschnittlichkeit (aus dem Amerikanischen von Jakob schmidt); 456 Seiten; Droemer Verlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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