KATHRYN STOCKETT: "GUTE GEISTER"

Kathryn Stockett wurde 1969 in Jackson, Mississippi, geboren und dort als Kind gut situierter weißer Eltern wie üblich von einem farbigen Dienstmächen umsorgt. Mit genau solch einer Nanny setzt auch ihr Debütroman "Gute Geister" ein, denn diese Aibileen erzählt von ihrer Arbeit in weißen Haushalten, in denen sie bereits 17 weiße Kinder aufgezogen hat.

Doch die Autorin fasst ein heißes Eisen an, denn das Geschehen führt in die frühen 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, als Rassentrennung hier im Süden der USA noch selbstverständlich war und der Ku Klux Klan selbst vor Mord an Farbigen und "Niggerfreunden" nicht zurückschreckte. Und sie greift zu einem großartig umgesetzten dramaturgischen Kniff, denn sie lässt die Geschichte von Aibileen und ihrer Kollegin Minny von der weißen Bürgerstochter Skeeter zusammentragen für ein Buch.

Mit dem erhofft sich die frustrierte junge Frau aus gutem Hause nach Studium und ersten enttäuschenden Schritten als Lokaljournalistin die Möglichkeit, aus der provinziellen Enge des Südens nach New York zu entkommen - wodurch eine gewisse autobiografische Nähe der Autorin zu Skeeter unverkennbar wird. Diese sorgt sich aber zunächst um ihr farbiges Kindermädchen, das auf einmal spurlos verschwunden ist. Da ist die Ernüchterung über den eingebildeten Heiratskandidaten Stuart schon beinahe nebensächlich.

Während die alleinstehende Aibileen, in der nach dem tödlichen Arbeitsunfall ihres bereits erwachsenen einzigen Sohnes etwas zerbrochen ist, bei Miss Lefolt arbeitet und der einzige Segen für deren kleine Tochter Mae ist, dient ihre Freundin Minny bei der ebenso biestigen wie einflussreichen Miss Hilly. Minny ist Mutter von fünf Kindern und hat einen prügelnden Säufer als Ehemann, wird ansonsten aber als beste Köchin weit und breit gerühmt.

Ein Problem ist jedoch ihr loses Mundwerk und das wird ihr schließlich sogar zum Verhängnis, als sie ihre Chefin, eine überzeugte Rassistin, beleidigt. Das gemeine Weib hatte die vorlaute Minny sowieso schon mit Argwohn beobachtet, nun wirft sie sie raus und ihre Androhungen von Strafe müssen als sehr ernst angesehen werden. Für die bis zuletzt fesselnde Besonderheit dieses Romans trägt gerade hinsichtlich Minnys bei, dass die Protagonistinnen alles selbst erzählen und jede dieser Ich-Erzählerinnen hat eine sehr eigene Stimme.

Die ist bei Minny am authentischsten, wenn sie frei heraus in diesem nicht ganz perfekten Redefluss spricht. Ohnehin bringt sie die Dinge am direktesten auf den Punkt wie zum Beispiel bei ihrer neuen Herrin Miss Celia, die etwas seltsam im Kopf ist. Als die immer wieder entgegen allen Sitten wenig Distanz hält und sogar darauf besteht, mit dem dunkelhäutigen Dienstmädchen am selben Tisch zu essen, geht Minny das gegen die eingeimpften Normen: "Wenn Gott gewollt hätte, dass weiße und farbige Leute so viele Stunden am Tag so eng zusammen sind, hätt er uns farbenblind geschaffen."

Als Skeeter schließlich die Interviews mit den Beiden zu einem Tatsachenroman mit gefährlich viel Wiedererkennungswert verarbeitet hat, sorgt das nicht nur bei den statusbewussten Frauen um Miss Hilly, die ihre Tage dank der gefügigen "guten Geister" mit Müßiggang und Wohltätigkeits-Tralala vertrödeln können, für einigen Aufruhr. Wenn das Alles mit Anfangserzählerin Aibileen dann in einem starken Finale endet, hat der Leser ein Buch verschlungen, das tief unter die Haut geht und auch dank seiner Realitätsnähe ein literarisches Juwel genannt werden darf.

 

# Kathryn Stockett: Gute Geister (aus dem Amerikanischen von Cornelia Holfelder-von der Tann); 605 Seiten; btb Verlag, München; € 21,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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