TIM BINDING: "FISCHNAPPING"

Bitterböser tiefschwarzer Humor bester britischer Provenienz zeichnete Tim Bindings Roman "Cliffhanger" aus. Darin hatte der kleine Taxi-Unternehmer Al Greenwood im idyllischen Südengland an der Kanalküste mit ihren schroffen Klippen vor vier Jahren sein Waterloo erlebt.

Nach einem erneuten Streit mit der garstigen Ehefrau Audrey war er dieser bei einem ihrer typischen Spaziergänge auf den Klippen gefolgt und hatte die Frau in der gelben Regenjacke in den Tod geschubst. Bei der triumphierenden Heimkehr aber sitzt im Wohnzimmer vorm Kamin, leicht geschürzt und angeschickert - die Totgeglaubte! Trotzdem wandert Al als Mörder in den Knast, denn die Furie Audrey bringt seine uneheliche Tochter Miranda um und sorgt für entsprechendes Belastungsmaterial gegen Al.

Inzwischen hat sich Al mühsam im Knast eingelebt und glaubt, sein tatsächliches Mordopfer sei Michaela Rump gewesen, die Gattin des gegen ihn erfolgreichen Kriminalbeamten, die seither spurlos verschwunden ist. Nun schlägt der Autor mit einer Fortsetzung hinreißend sprühende Funken aus einer überraschenden Wendung, mit der jetzt "Fischnapping" beginnt. Unvermutet taucht im Knast Audrey mit zwei dicken Überraschungen auf. Erstens gesteht sie den Mord an Miranda und zweitens ist die Dame in ihrer Begleitung nicht nur ihre Lebenspartnerin sondern auch - Michaela Rump.

Was für Al die umgehende Begnadigung bedeutet, wirft aber auch die für einen Krimi sehr ungewöhnliche Frage auf: wer war das Opfer?! Gleichwohl genießt Al die wiedergewonnenen Freiheit im zurückeroberten Bungalow, philosophiert mit seiner dauerbekifften ältlichen Nachbarin und träumt von einer Karriere als Bildhauer, denn im Knast hat er in einem Kunstkurs gelernt, wie man schreiend komische Fischskulpturen mit der Kettensäge fertigt.

Seine spezielle Affinität zu Fischen aber bekommt einen verblüffenden Drall, als sein vermeintliches Mordopfer Michaela Rump bei ihm erscheint und sich nicht nur als neue Nachbarin vorstellt. Auch ist sie trotz der lesbischen Affäre mit Audrey obendrein sehr am stets geilen Al und seinen sportlichen Einsätzen interessiert. Ihr wahres Interesse jedoch gilt der Rache am drögen Ex-Ehemann Rump, der sie tierisch genervt hat mit seiner geradezu pathologischen Liebe zu seinem einzigartigen Koi namens "Mutter Teresa".

Al hatte einst zwei solcher aberwitzig wertvollen japanischen Edelkarpfen, nun jedoch hetzt Michaela ihn dazu, den Koi ihres Ex zu entführen. Rump soll Lösegeld bezahlen und Als Belohnung wäre, dass sie ihm die wahre Identität "seines" Mordopfers von damals enthüllt. Der Wahnwitz, der sich daraus entwickelt, soll hier nicht näher verraten werden, doch außer der nervtötenden Michaela schneit nun auch noch Als eheliche Tochter Carol aus Australien herein, die ihn zurück in den Knast bringen will, denn - schon einmal habe er jemanden in den Tod geschubst, ihren schnöseligen Verlobten Robin.

Frauenfreund Al berichtet das Alles selbst, mal vom Beseitigen lästiger Familienmitglieder, mal von folgenreichen Scrabblespielen und wie er mit seiem Sinn fürs Praktische doch immer wieder auf die Nase fällt. Voller schräger Typen, verrückter Einfälle und viel Slapstick ist das und so kauzig und deftig geschildert, als erzählte ein Kneipenkumpel von seinem krausen Leben. Fazit: eine herzerfrischend unanständige Tragikomödie für Freunde des skurrilen Humors und die Krimispannung kommt auch nicht zu kurz.

 

 

# Tim Binding: Fischnapping (aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann); 334 Seiten; Marebuchverlag, Hamburg; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 764 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de