JOHN BOYNE: "DER SCHIFFSJUNGE"

Einer vermeintlich abgedroschenen Geschichte hat sich Erfolgsautor John Boyne mit seinem neuen Jugendroman gewidmet, jener der "Bounty", des Schiffes vom tyrannischen Captain Bligh und des aufrechten Fletcher Christian, der mit einem Großteil der Mannschaft das Schiff übernahm, um es nach Tahiti zurückzuführen. So jedenfalls kennt man dieses berühmte Seefahrtsabenteuer aus Büchern und aus den noch berühmteren Verfilmungen.

John Boynes Roman aber trägt den Titel "Der Schiffsjunge. Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty" und das ist wörtlich zu nehmen, denn die historischen Fakten stehen den Filmversionen völlig entgegen. Die Art aber, wie der Autor diese Revision angeht, schafft ein hochspannendes Stück Literatur. Erzählt wird es von John Jacob Turnstile, einem hinzuerfundenen 14-jährigen Waisenknaben und Taschendieb.

Der magere Bursche wird in Portsmouth erwischt, als er einem vornehmen Herrn die Taschenuhr stehlen will. Der Gentleman rettet John jedoch vor dem Gefängnis, indem er ihm die Chance gibt, stattdessen als Schiffsjunge auf der "Bounty" mitzufahren. Der kleine Segler soll Brotfruchtbaumsetzlinge von der Pazifikinsel Tahiti holen, um die Sklaven in der Karibik besser ernähren zu können. Der seeunkundige John muss nun erfahren, dass er am Ende aller Rangleitern im Mannschaftsgefüge steht und dass es sehr rau zugeht auf solch einem Kriegsschiff. Sein Glück ist, dass er zum Diener des strengen und dennoch gütigen Captain Bligh wird.

Und dann kommt die legendäre Zeit auf Tahiti mit all den Verlockungen durch die freizügigen Inselschönheiten. Auch John verliebt sich und erlebt in seiner Naivität mit der ersten Liebe auch gleich den ersten heftigen Liebeskummer. Als die "Bounty" 1789 pflichtgemäß mit den Pflanzen den Rückweg antritt, kommt es zu jener historischen Meuterei und der Bösewicht ist nicht Bligh sondern der eitle Schönling Fletcher Christian. Er und ein großer Teil der Mannschaft wollen zurück zur paradiesischen Insel mit den lockeren Frauen.

Was bis hierher ein äußerst farbenfrohes und mit viel Humor erzähltes Abenteuer war, wird nun zum Überlebensdrama, denn die Meuterer setzen Bligh und 18 loyale Seeleute - unter ihnen Schiffsjunge John - mit einem Beiboot und etwas Proviant aus. Hier nun beweist der Captain, warum er den Ruf des besten Kartenzeichners und Navigators jener Tage hatte. Dank seiner umsichtigen Führung schaffen sie eine 48-tägige Irrfahrt voller Hunger, Krankheit und Verzweiflung, bei der sie nach tausenden von Seemeilen zu der holländischen Kolonie Timor gelangen.

Die historische Wahrheit bildet auch den Abschluss des großartigen Epos. Während dank einer regelrechten Rufmord-Kampagne des Bruders von Fletcher Christian die wilden Geschichten vom finsteren Bligh und der zu recht erfolgten Auflehnung den Grundstein für die späteren Romane und Filme der edlen Meuterer legten, machte der im obligatorischen Seegerichtsverfahren freigesprochene Captain in Wahrheit eine ehrenvolle Karriere und ver-starb 1817 im Range eines Vize-Admirals.

Das Alles ist absolut fesselnd geschrieben und John Boyne lässt in John Jacob Turnstile nicht nur eine ungeheuer interessante Titelfigur erzählen, auch was die historischen sowie die seemännischen Fakten angeht, stimmt hier einfach alles. Fazit: ein klassischer Abenteuerroman, deftig, realistisch und so gewitzt, dass er garantiert nicht nur junge Leser ab etwa 14 Jahre begeistern dürfte.

 

# John Boyne: Der Schiffsjungen. Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty (aus dem Englischen von Andreas Heckmann); 639 Seiten; Fischer Jugendbuch, Frankfurt; € 18,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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