ANGELA S. CHOI: "HELLO KITTY MUSS STERBEN"

Fiona Yu ist Ende 20 und hat ein Riesenproblem mit ihrem ganz persönlichen Spagat: als Tochter eines chinesischen Waschsalonbesitzers wohnt sie noch bei den äußerst traditionsbewussten Eltern, als Rechtsanwältin mit Spitzennoten aber jobbt sie in einer Nobelkanzlei und ist auch sonst voll auf American Way of Life getrimmt, Luxus-Konsum inklusive. Und das alles im höchst liberalen San Francisco, was den Zwiespalt zu den altbackenen, in Hongkong geborenen Eltern noch verschärft.

Doch Fi will eines unter allen Umständen vermeiden, nämlich eine typische Hello Kitty zu werden, eine chinesische Braut, die unterwürfig den von den Eltern ausgekungelten ebenfalls chinesischen Mann heiratet, ihn bekocht und seine Kinder bekommt. Das ist die irgendwie haarsträubende Ausgangssituation für Angela S. Chois bitterbösen Debütroman "Hello Kitty muss sterben". Wobei sich gleich am Anfang herausstellt, dass Fi ohnehin ein Grundbestandteil ihrer Familienehre fehlt - mangels Hymen fehlt ihr die Jungfräulichkeit!

Was nun einsetzt, gebärdet sich schlichtweg als ebenso schizophrener wie diabolischer Seiltanz der Rebellion. Da arrangiert ihr Vater mit unfassbarer Sturheit Dates mit Heiratskandidaten bis hin zu Buchung von Hochzeitsfeiern, immer an Fi vorbei, dafür mit den potenziellen Schwiegereltern und deren für eine moderne amerikanische Frau extrem ungeeigneten Sprösslingen. Was sich hier für Szenen von heimtückischem Slapstick ergeben, wenn sich Fi gegen die Arrangements wehrt und ihre Eltern das in extremer Uneinsichtigkeit ignorieren und sogar alles so verdrehen, bis es "passt", das ist ebenso grantig wie zwerchfellerschütternd.

Doch dieser Roman bekommt noch ganz andere Dimensionen, denn nachdem Fi im Selbstversuch auf die nie vorhandene Jungfräulichkeit stößt, will sie dem aus einem trotzigen Impuls heraus abhelfen. Schließlich gibt es im hypermodernen San Francisco Fachärzte zur Hymenwiederherstellung. Dieser Dr. Killroy aber, den sie aufsucht, entpuppt sich als ihr alter, sehr spezieller Schulfreund Sean. Ihn hat sie schon immer geliebt und der smarte Typ kommt dabei ohne Sex aus, was sie sehr zu schätzen weiß. Stattdessen pflegt Sean ein ungewöhnliches Hobby: er ist ein passionierter Serienkiller!

Er verrichtet Gottes Werk, denn jeder müsse mal sterben, manche aber eben eher. Allerdings folgt er dabei seinem Gerechtigkeitssinn und das auf eine Weise, dass Fi ihm von nun an bei der Auswahl sogar assistiert. Und nach anfänglichen Skrupeln wendet sie die Methode des Gnadenmordes selbst als Notwehraktion gegen den Verheiratungswahn ihrer Eltern an. Das zeitigt Szenen von tiefschwarzem Humor, wenn die Autorin sowohl die Betulichkeiten einer traditionellen chinesischen Beerdigung wie auch die Ideale des American Way of Life grandios aufspießt, und es wird zu einem geradezu zynischen Parforceritt jenseits jeder "political correctness".

Wie das Alles endet, wird natürlich nicht verraten, das Fazit aber ist klar: ein brillant böser Roman mit einer hinreißenden Heldin, für die man trotz aller sündigen Taten immer mehr Sympathien entwickelt. Kleine Warnung noch - dieses Buch eignet sich ganz und gar nicht für Zartbesaitete.

 

# Angela S. Choi: Hello Kitty muss sterben (aus dem Amerikanischen von Ute Brammertz); 286 Seiten, Klappenbroschur; Luchterhand Literaturverlag, München; € 14,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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