THOMAS THIEMEYER: "KORONA"

Kann man aus einem astrophysikalischen Paradoxon wie der Einstein-Rosen-Brücke - volkstümlich Wurmloch genannt - und der Erforschung der Berggorillas in Ostafrika einen Wissenschaftsthriller machen? Thomas Thiemeyer ist dies mit seinem jüngsten Roman "Korona" sogar so meisterhaft gelungen, dass man das Buch von Anfang bis Ende regelrecht verschlingt.

Eingangs ist das größte Problem für die Verhaltensforscherin Amy Walker und ihr Team im ugandischen Urwald die Jagd von Wilderern auf die seltenen Berggorillas. Nachdem ihr Chef Burke bei einer Expedition ins Ruwenzori-Gebiet spurlos verschwunden ist, kommt der Verhaltensneurologe Ray Cox zu der Gruppe. Der eigensinnige Ire eckt bei einigen an, als bei einer Suchaktion nach dem Verschwundenen jedoch sogar herauskommt, dass die zehnjährige Haftstrafe, die Cox absitzen musste, ausgerechnet in Verbindung zu Burke steht, schlägt ihm allseitiges Misstrauen entgegen.

Doch auf ihrem Weg in die Wildnis nahe des Kitaranda-Glusses geraten sie an ganz andere Schwierigkeiten. Erst treffen sie auf den ungewöhnlichen Stamm der Bugonde, wo Frauen herrschen und Männer regelrecht versklavt sind. Hier erfahren sie, dass Burke durchgekommen, dann jedoch auf die andere Seite gegangen sei: "Wohin man nicht folgen kann!" Zur selben Zeit nehmen gravierende Sonnenaktivitäten zu. Wie der im Lager verbliebene Wildhüter Mogabe herausfindet, strahlt die Korono der Sonne gigantische Erruptionen aus mit massiven EMP-Effekten und Sonnenplasmaeinschlägen besonders in Ost-Afrika.

Die kleine Gruppe um Amy Walker stößt nun auf die Ruinenstadt des sagenumwobenen Kitara-Reiches mit sensationellen Wandzeichnungen von grauenerregenden Mythen einschließlich Menschenopfern. Im Tempel findet Cox allerdings auch eine erste Spur Burkes: dessen Brille. Und dann wird die Gruppe bei einem heftigen Unwetter regelrecht elektrisch niedergeschlagen. Als sie wieder zu sich kommen, sind sie scheinbar noch am selben Ort, dennoch wirkt alles irgendwie verändert - als seinen sie wie durch ein Portal in eine andere Welt geschleudert worden.

Während über die Urwaldstadt der Bugonde zur selben Zeit eine ebenso verheerende wie rätselhafte Katastrophe hereinbricht, erschauert der Leser über einen neuen Protagonisten, den riesenhaften "Namenlosen". Dieses durch Hyphen aus einem Menschen transformierte Wesen, das weitgehend aus pflanzlicher Materie besteht, wütet als fleischfressendes Ungeheuer, das einzig mit Feuer bekämpft werden kann. In den Sagen der Eingeborenen kennt man solche Wesen als den N'ekru, der den Menschen den Lebensssaft aussaugt.

Amy und ihre Gruppe aber sind in jener anderen Welt offenbar auf einer Insel mit andersartigen Naturgesetzen gelandet. Und so geraten sie umgehend mit zwei sehr verschienenden Lebensformen in Konflikte, jenem archaischen Volk einer verrückten Kaiserin, in deren "Stummen Hallen" auch der N'ekru haust, sowie einem Volk von - Gorillas! Diese hochzivilisierte Population hat jedoch sogar eine Art Sprache und in dem, was nun, begleitet von weiteren Sonnenplasmaeinschlägen, sich zu einem atemberaubenden Finale samt einer Völkerwanderung sämtlicher Berggorillas im "hiesigen" Uganda auswächst, spielen sie eine wichtige Rolle.

Thomas Thiemeyer hat diesen Roman dem verstorbenen Michael Crichton gewidmet und in dessen Fußstapfen ist er mit diesem grandiosen Thriller tatsächlich getreten. Die Symbiose von realistischem wissenschaftlichem Hintergrund, exzellent recherchierten Fakten, gekonnten Phantasy-Einschüben und gut gezeichneten Charakteren, die nicht zu Superhelden überdreht werden, macht "Korona" zu einem Stück Spannungsliteratur internationaler Spitzenklasse.

Das ist einerseits beeindruckend originell und voller Überraschungen erfunden, andererseits begeistern die realen Passagen über die Gorillas wie überhaupt die Natur der Schausplätze. Natürlich ist das Alles absolut filmreif und eine adäquate Verfilmung dürfte einen Indiana Jones dagegen wie einen harmlosen Märchenfilm aussehen lassen.

 

# Thomas Thiemeyer: Korona; 512 Seiten; Knaur Verlag, München; € 16,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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