FLORENCE AUBENAS: "PUTZE"

Wie weit kann man mit ehrlicher Arbeit kommen, wenn man nichts hat und nicht kann? Das wollte die Journalistin Florence Aubenas testen und ihr Selbstversuch begann in Caen in der Normandie beim Jobcenter. Was sie nun erlebte, schrieb sie in einer beeindruckenden Sozialstudie nieder, wobei schon der Titel "Putze. Mein Leben im Dreck" nichts Gutes ahnen lässt.

Zwar wurde die französische Autorin 2005 weltweit bekannt durch ihre monatelange Geiselhaft im Isak, doch als sie sich Anfang 2009 bei der Arbeitsvermittlung um einen Job bemühte, reichten als Tarnung gefärbtes Haar und eine fiktive Biographie. Nach der war sie 45, hatte Abitur, aber seither nie gearbeitet, sondern nur als Ehefrau gelebt. Jetzt nach der Trennung sei sie mittellos und benötige unbedingt eigene Einkünfte. Schon nach nur sechs Wochen hatte man einen Aushilfsjob für die "Schwervermittelbare".

Weitergereicht an eine Reinigungsfirma erwartete man von der vermeintlich Mittellosen selbstverständlich, dass sie Führerschein und Auto habe, um nächtens zum Fähranleger oder später zu anderen Putzstellen zu gelangen. Auf der Fähre nun die ersten Erfahrungen, wie man in maximal drei Minuten eine Kabine einschließlich Dusche und Toilette putzt. Und wie die mühsam ergatterten weiteren Putzjobs zu einer miserabel bezahlten Jagd von einem Hungerjob zum nächsten führt. Dazu beginnt der Tag früh, wenn die Stadt noch schläft, und er endet weit nach Büroschluss.

Zugleich ist der Druck seitens Arbeitgebern und Jobcenter gleichermaßen unmenschlich. Zudem soll die Vermittlung zur besseren Kontrolle auch noch per Telefon oder Computer erfolgen - doch welche der Habenichtse haben so etwas überhaupt und wie sollten sie es sich leisten können?! Ohnehin findet Kontrolle nur gegenüber den modernen Tagelöhnern statt und nicht gegenüber den kostendrückenden Arbeitgebern. Nun gibt es in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland ja immerhin die soziale Einrichtung eines Mindestlohnes, doch was nützen garantierte 8,71 Euro pro Stunde Arbeit, wenn die Auftraggeber durch allerlei Tricks einfach so pauschal für ganze Objekte zahlen, dass der Satz allemal unterschritten wird?! Und Überstunden werden ebenso wenig vergütet wie die teils langwierigen Anfahrten.

Wie mit einer versteckten Kamera führt die Autorin den Leser durch diese unterste Schicht der Arbeitswelt, wo ständig hart gearbeitet wird, ohne dass den meisten irgendwann eine Festanstellung oder gar ein Auskommen in Aussicht steht. Hinzu kommen die demütigenden Arbeitsbedingungen, wenn die "Putzen" wie ein Nichts übersehen und herumgeschubst werden. Florence Aubenas berichtet das Alles aus eigener leidvoller Selbsterfahrung, dennoch aber sachlich ungeschönt und mit zuweilen durchschimmerndem Sarkasmus, denn ihr ging es ums Verstehen, nicht ums Aufdecken und Anprangern.

Wann sie den sehr erschöpfenden Selbstversuch abgebrochen hat? Als man ihr nach sechs Monaten zum ersten Mal einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten hat, schließlich wollte sie nicht jemandem die Stelle streitig machen, der sie wirklich brauchte. Fazit: eine spannende Sozialreportage, die nicht unmittelbar anklagt, aber gewiss jeden Leser schaudern lässt. Und im angeblich so sozialen Deutschland gibt es noch nicht einmal einen gesetzlichen Mindestlohn...

 

# Florence Aubenas: Putze. Mein Leben im Dreck (aus dem Französischen von Gabi Wurster); 251 Seiten, Klappenbroschur; Pendo Verlag, München; € 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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