JAMES PALMER: "DER BLUTIGE WEIßE BARON"

"Mein Name ist so sehr mit Hass und Angst verbunden, dass niemand beurteilen kann, was wahr und was falsch ist." Das sagte Robert Nikolai Maximilian von Ungern-Sternberg 1921 von sich selbst. Doch wer weiß in Europa überhaupt, wer dieser Krieger aus deutsch-baltischem Adel war? In der Mongolei hingegen war er einst für kurze Zeit der mächtigste Mann und angeblich wird er dort von manchen noch heute als Nachkomme Dschingis Khans verehrt.

Der britische Reisejournalist James Palmer hat sich der mysteriösen Gestalt mit seiner umfassenden Biographie "Der blutige weiße Baron" angenommen und der Untertitel verrät ein wenig von der historischen Bedeutung dieses Mannes: "Die Geschichte eines Adligen, der zum letzten Khan der Mongolei wurde." Der im estnischen Reval (heute Tallinn) aufgewachsene Spross aus altem Adel wurde 1885 in Graz geboren und war offenbar schon als Schüler ein ungebärdiger, gewalttätiger Widerling. Im Dienste der zaristischen Armee dann zeichnete er sich durch Draufgängertum aber auch durch Unberechenbarkeit aus.

Nach Ausbruch der Februarrevolution von 1917 wurde er in den Osten des Zarenreichs geschickt und erhob sich mit General Semjonow gegen die im Oktober an die Macht gekommenen Bolschewisten. Doch entzog er sich dann auch der zarentreuen Weißen Armee und wurde mit einer mordlüsternen Soldateska eine Art Warlord. Spätestens jetzt offenbarte sich der ganze Wahnsinn seiner von fanatischem Antisemitimismus, hasserfülltem Antikommunismus und einem seltsam brutal frömmelnden Buddhismus durchdrungene Persönlichkeit. Hinzu kam ein kruder Ansatz von Okkultismus und die größenwahnsinnige Idee, der legitime Nachfahre Dschingis Khans zu sein und ein neues Großreich in Asien errichten zu wollen.

So zog Ungerns Heer, bestehend aus einem Vielvölkergemisch, ab Sommer 1920 in die riesige menschenarme Mongolei ein. Schon jetzt wird jeder umgebracht, der sich ihm im Geringsten widersetzt oder als Jude oder Bolschewist gilt, und die Art des Tötens ist an bestialischer Grausamkeit kaum zu überbieten. Schließlich gelingt Ungern auch die Eroberung der Haupststadt Urga (heute Ulan Baator) und er ruft die Monarchie aus - mit ihm als Alleinherrscher und dem einheimischen Bogd Khan als geistlichem Oberhaupt.

130 Tage dauerte die von Mordorgien geprägte Regentschaft dieser ebenso bizarren wie widerwärtigen Gestalt, dann lieferten ihn eigene Leute an die Rote Armee aus. Die ließ ihn nach einem Schnellverfahren am 15. September 1921 hinrichten, sein obskurer Mythos aber scheint noch heute fortzuleben, zumal seine Art des gewaltbereiten Buddhismus in der mongolischen wie in der tibetischen Ausformung durchaus nicht ungewöhnlich ist.

Das eigentlich Erschütternde, das der Biograph auf der Grundlage hervorragender Recherche hier mit dieser monströsen Schreckensfigur verdeutlicht, ist ein Jahrzehnt vor den Gewaltorgien Stalins, der blutrünstigen Eroberungszüge der Japaner in Asien und des beginnenen nationalsozialistischen Terrors dieses heute weitgehend unbekannte oder vergessene Fanal durch einen völlig durchgeknallten Rassisten und Fundamentalisten.

Fazit: mit seinem hinreißenden Erzählstil, der athmosphärischen Dichte und der Sachlichkeit, mit der selbst die unfassbarsten Gräueltaten geschildert werden, hat James Palmer ein düsteres Meisterwerk geschaffen, das mit all den historisch belegten Ungeheuerlichkeiten lange nachhallt.

 

# James Palmer: Der blutige weiße baron. Die Geschichte eines Adligen, der zum letzten Khan der Mongolie wurde (aus dem Englischen von Nora Matocza und Gerhard Falkner); 382 Seiten, im Schuber; Die Andere Bibliothek im Eichborn Verlag, Frankfurt; € 32

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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