KILIAN LEYPOLD: "DER TIGER UNTER DER STADT"

Zwei zwölfjährige Jungen steigen in die Kanalisation unter ihrer Hochhaussiedlung hinab, weil doch den Leuten bekanntlich so unglaubliche Dinge ins Klo fallen. Statt allerlei Schätzen wie Eheringen, Geldbeutel oder dergleichen aber stoßen sie auf - einen ausgewachsenen sibirischen Tiger!

Was es damit auf sich hat und was für ein spannendes Abenteuer sich nun entwickelt, daraus hat der Kinderrundfunkreporter Kilian Leypold unter dem Titel "Der Tiger unter der Stadt" ein hinreißendes Kinderbuch geschaffen. Jonas, der daheim einen müden arbeitslosen Vater und eine tyrannische ältere Halbschwester hat, und sein Freund Philip sind zwar schockiert über diesen Fund. Viel verrückter aber wird es, als dieser riesige Tiger zu sprechen beginnt und fauchend klarstellt, dass er ein Mensch sei.

"Ich heiße Kunigunde Ohm, bin 78 Jahre alt und wohne in der Keunerstraße." Was die Jungs dann von Tante Tiger erfahren, wie sie ihren Schützling bald nennen, ist wahrlich seltsam. Die alte Dame aus der Nachbarschaft ist bei einem Spaziergang an der Kläranlage entlang offenbar in eines der großes Becken gefallen. Als sie aufwachte, sei sie innen Mensch und außen Tiger gewesen und sie habe ihr Leben lang noch nicht so gestunken.

Nun heißt es, etwas zu unternehmen, denn sonst verwandelt sich die arme alte Frau noch ganz zum Tiger. Das aber wird ungemein aufregend, denn niemand darf ja etwas von ihrem Geheimnis erfahren, sonst landet Tante Tiger noch im Zoo. Sie zu reinigen ist noch das Leichteste, aber so ein Tiger braucht gewaltige Mengen an fleischlichem Futter und es muss ja auch eine Lösung gefunden werden. Erstmal bringen die Jungs sie auf einer beschwerlichen Fahrt zu einer Baugrube und entwickeln einen Rettungsplan, in dem die Kläranlage eine wichtige Rolle spielt.

Ohne zu viel verraten von dem ebenso ungewöhnlichen wie wunderbar geflochtenen Abenteuer, sei doch gesagt, dass alles auf eine verrückte Party im Klärwerk zuläuft und dass dessen Chef, der seltsam unwirkliche Herr Funakis mit den übermenschlichen Kräften, sich maßgeblich einmischt. Das Ganze findet einen bewegenden Abschluss mit einem kauzig-poetischen Epilog, der nicht nur junge Leser ab 10 Jahre schmunzeln lassen wird.

Dieses ganz und gar zauberhafte Buch lebt auch von seiner ungekünstelten Sprache und schafft eine außergewöhnliche Verknüpfung von Fantasie und Weisheit. Und es ist nicht zuletzt der gelungen Dialog zwischen den Jungen und der alten Frau, der diesem Roman die Qualitäten eines Klassikers beschert. Fazit: "Der Tiger unter der Stadt" dürfte zu den besten Büchern dieses Jahres in seiner Kategorie zählen.

 

# Kilian Leypold: Der Tiger unter der Stadt; 287 Seiten; Aufbau-Verlag, Berlin;

€ 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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