ROSAMUND LUPTON: „LIEBSTE TESS"

Wenn ein Romantitel „Liebste Tess" lautet, von einer jungen Frau geschrieben wurde und es um zwei Schwestern geht, die sehr aneinander gehangen haben, dann vermutet man leicht einen gefühligen Frauenroman. Rosamund Luptons Debüt aber ist stattdessen ein Krimi von subtil wachsender Hochspannung.

Es beginnt mit dem Verschwinden der 21-jährigen Kunststudentin Tess Hemming, woraufhin ihre einige Jahre ältere Schwester Bea sofort aus New York ins heimische London eilt. Als die Vermisste dann tot im Hyde Park gefunden wird, glauben alle an ihren offensichtlichen Selbstmord. Außer Bea, die ihre Schwester viel zu gut kannte, um an Suizid zu glauben.

In der ungewöhnlichen Form eines Abschiedsbriefs Beas an Tess entwickelt die BBC-Autorin nun eine sehr einseitige Suche nach der Wahrheit. Allmählich stößt die beharrliche Karrierefrau auf Hinweise und sie verdächtigt nahezu jeden, der mit Tess zu tun hatte. Was war mit dem Vater des Kindes, das Tess erwartete, oder dem Psychiater, der sie behandelte und wie alle anderen Beas Verdächtigungen als Unsinn abtut. Oder spielen Mitarbeiter eines Pharmakonzerns eine Rolle, denn in dem Krankenhaus, in dem Tess ihr Kind zur Welt bringen wollte, gibt es vermehrte Todesfälle von Neugeborenen und Wöchnerinnen.

Während Bea all dies dem Brief anvertraut, schweift sie immer wieder auch in die Erinnerungen an das gemeinsame Erleben mit Tess ab wie auch zu den jüngsten Mail-Kontakten. Es entstehen intensive und hervorragend gezeichnete Charaktere und sie sind so glaubhaft wie das geschilderte innige Verhältnis der Schwestern zueinander. Bis zum ebenso überraschenden wie überzeugenden Finale hält diese athmosphärisch dichte Geschichte ihre Spannung und kommt dabei ohne brutale Details aus. Fazit: ein dezenter Thriller, der nicht nur weibliche Leser fesseln wird.

 

 

# Rosamund Lupton: Liebste Tess (aus dem Englischen von Barbara Christ); 383 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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