KATHERINE ANNE PORTER: „DAS NARRENSCHIFF"

Die spätere Pulitzer-Preisträgerin Katherine Anne Porter war bereits bekannt für ihre exzellenten Short Sories, als sie 1932 mit dem Schiff nach Europa reiste. Von dieser Reise – auf der sie sogar Hermann Göring begegnete – wie auch von der Lektüre von Sebastian Brants „Narrenschiff" von 1494 inspiriert, begann sie 1941 mit der Niederschrift ihres einzigen Romans. Doch es sollte 20 Jahre dauern, bis sie ihn endlich fertigstellte.

Als „Das Narrenschiff" 1962 erschien, wurde es umgehend als Meisterwerk gefeiert. Das Buch avancierte in den USA zum meistverkauften der 60er Jahre und auch die Verfilmung von Stanley Kramer wurde ein Erfolg. Dass der große Roman voller Episoden und Porträtstudien 1963 bei seinem Erscheinen in Deutschland weit weniger freundlich aufgenommen wurde, kann nicht verwundern, denn dieser Passagierdampfer „Vera" hat auf seiner Fahrt von Veracruz, Mexiko, nach Bremerhaven nicht nur eine deutsche Mannschaft, auch ein großer Teil der zusammengewürfelten Reisegesellschaft rekrutiert sich aus Deutschen, von denen so mancher nicht nur ein Unsympath sondern offen rassistisch und nationalsozialistisch bis hin zum Herrenmenschenstolz ist.

Und die Autorin seziert die allgemeine Narretei sämtlicher Protagonisten mit nüchterner Präzision, egal, ob sich ein alternder US-Playboy als Gockel lächerlich macht, Frauen selbst aus besseren Kreisen in der autoritären Männerwelt ins zweite Glied verwiesen werden oder der Schiffsarzt einer drogensüchtigen spanischen Gräfin verfällt. Doch selbst der jüdische Devotionalienhändler Löwenthal ist keine Lichtgestalt, ja, es gibt solche einfach nicht in diesem eng eingegrenzten Kosmos des Schiffes im Spätsommer 1931.

Auf dem Weg in das vom Nationalsozialismus schon rettungslos infizierte Deutsche Reich werden jene über 800 spanischen Gastarbeiter im schmuddeligen Zwischendeck, die wegen des Niedergangs des kubanischen Zuckerrohranbaus ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, mit Geringschätzigkeit bedacht, während die fragwürdige feine Gesellschaft auf den feinen Oberdecks ihre Verkommenheit und die Verluderung ihrer Moral in einem abstrusen Maskenball gegen Ende der Reise endgültig ausarten lässt.

Dieser intelligente satirische Gesellschaftsroman glänzt nicht nur mit einzigartigen Charakterstudien, er überrascht in der verdienstvollen Wiederauflage mit seiner erstaunlichen Zeitlosigkeit. Das entlarvt ebenso illusionslos wie elegant das Entgleiten der Zivilisation und verdienstvoll ist auch der Entschluss des Verlages, die kongeniale Originalübersetzung der renommierten Susanna Rademacher (1899-1980) wiederzuverwenden und nur ganz dezent zu überarbeiten. Fazit: dieses großartige Stück Literatur wird viele neue Leser in seinen Bann ziehen, ohne dass sie sich aus heutiger Sicht noch über die doch so zeitgerechten deutschkritischen Töne erregen müssten.

 

# Katherine Anne Porter: Das Narrenschiff (aus dem Amerikanischen von Susanna Rademacher); 704 Seiten; Manesse Verlag, München; € 16,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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