INGRID NOLL: „EHRENWORT"

Wenn gewaltsam Verstorbene das Kriterium für einen Krimi sind, dann ist Ingrid Nolls mittlerweile zwölfter Roman unter dem Ttiel „Ehrenwort" gewiss ein solcher. Doch wie so oft funkelt auch diese Geschichte aus einem Mehrgenerationenhaus eher als bitterböse Komödie mit mörderischem Einschlag.

Die 75-jährige Erfolgsautorin hat einst selbst jahrelang ihre greise Mutter gepflegt und sie weiß, wie in der ein oder anderen nervigen Situation schon mal düstere Gedanken aufkommen bis hin zu letalen Ideen. Genau das passiert Harald und Petra Knobel, nachdem der fast 90-jährige verwitwete Willy Knobel in seinem Haus gestürzt ist und nun in einem der Kinderzimmer bei ihnen zuhause gepflegt wird.

Den herrlichen alten Knötterbock, der so gern lateinische Zitate von sich gibt, hat ihnen eigentlich Sohn Max eingebrockt, der schon immer einen guten Draht zum Opa hatte und als verkrachter Student dessen Großzügigkeit zu schätzen weiß. Seine spontane Erklärung, Opa müsse bei ihnen wohnen, überzeugte die eher verdrießlichen Eltern auch nur, weil ein baldiges Ableben inklusive Erbschaft eine sichere Sache schien. Doch wider alle Erwartungen schlägt die Pflege durch die ebenso fröhliche wie attraktive Pflegerin Jenny sehr aufmunternd an und Max sorgt mit Puddingnachschub und anderen guten Dingen für neue Lebensfreude beim Alten.

Zum wachsenden Unwillen von Sohn Harald, der noch nie mit dem Vater konnte. Als hätte man nicht schon genug Ärgernisse mit der fernen lesbischen Tochter, Mutters heimlichem Mittagspausenliebhaber und Max als ewigem Nesthocker – und nun auch noch statt des Erbes den alten Störenfried im Haus?! Da kommt man auf Ideen vom überdosierten Schlaftrunk bis hin zu extrem gebohnerten Treppenstufen und obendrein hat Max auch noch ein Problem mit einem üblen Erpresser.

Wie bei Ingrid Noll nicht anders zu erwarten, ist niemand so ganz unschuldig, wenn tatsächlich der ein oder andere zu Schaden kommt – aber andere als beabsichtigt. Das entwickelt sich von kauzigen Anfängen zu immer schwungvollerem Chaos und bei wachsender Spannung sorgen die mit wunderbarem Spott geschilderten Verwicklungen nicht nur für eine nicht ganz moralische Gerechtigkeit und einmal mehr sind einem die Täter sympathischer als ihre Opfer.

Selten hat Ingrid Noll mit solch leichter Hand geschrieben und zugleich lebt dieser trotz aller Winkelzüge so lebensnahe Roman von seinen durch und durch authentisch wirkenden Figuren mit all ihren kleinen Abgründen. Fazit: ein feines satirisches Lesevergnügen.

 

# Ingrid Noll: Ehrenwort; 336 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 21,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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