DAVID BENIOFF: „ALLES AUF ANFANG"

Sad Joe ist Schlagzeuger, hängt an Bandsängerin Molly und noch mehr an seinem alten Ford Galaxy. Während Molly von einem Plattenboss angebaggert wird, veranstaltet der ahnungslose Sad Joe ein Straßenfest, um das Umspringen des Tachos von 199.999 auf Null zu feiern. Danach jedoch springt auch sein Leben völlig um – alles auf Anfang.

Alles auf Anfang" lautet auch der Titel des Erzählbands von David Benioff, der mit acht Geschichten erneut unter Beweis stellt, dass er einer der begnadetsten jungen US-Erzählkünstler ist. Die Macht und Magie des Augenblicks, die oft absurde und doch so reale Schicksalhaftigkeit des Lebens fängt er mit viel tragikomischem Humor ein. Spannung und Überraschungen kommen wie von selbst auf und stets spürbar bleibt die Sympathie des Autors für seine Figuren.

Das gilt selbst für Leksi, den blutjungen, einfältigen russischen Soldaten, dem seine Kameraden auftragen, eine vermutlich harmlose 70-Jährige als potentielle Feindin zu liquidieren. Wie die Frau sich mit dem listigen Märchen vom „Teufel in Orechowo" vor ihm rettet, um dann doch umzukommen, das wühlt die ganze makabre Sinnlosigkeit des Krieges auf.

Von der Wankelmütigkeit des Schicksals düpert fühlt sich auch Zabrocki, der als 16-Jähriger einen alten Cadillac mopst und auf einer 1000-Meilenspritztour nach Kalifornien Maureen aufgabelt. Der erste Kuss seines Lebens beschert ihm den schönsten Nachmittag seines Lebens. Als er nach schlechten Zeiten Jahre später an Maureen und die unvergesslichen Stunden denkt, forscht er nach ihr und kann die gallebittere Enttäuschung dabei kaum ertragen.

Doch Benioff gelingt es, selbst eher bescheuerte Charaktere zumindest bemitleidenswert darzustellen. Wie jenen vermeintlich letzten Überlebenden nach dem nuklearen Weltuntergang. Drei Jahre hat der Ich-Erzähler an seinem Bunker gebaut und nun vegetiert er im Dunklen, wagt nur noch eine Stunde Licht und Computerbetrieb pro Tag. Und dann tauchen Fehler im System auf, nehmen zu, ein Virus breitet sich aus und Halluziantionen von Klopfgeräuschen, leisem Verkehrslärm. Und die binäre Umnachtung nimmt zu...

Kurios aber auch anrührend gelingen dem versierten Drehbuchautor starke Geschichten, bei denen die Macken der Protagonisten gerade das Fesselnde und die Lebensnähe kreieren. Wortgewalt und Bildhaftigkeit machen diese Fabulierkunst zum echten Lesegenuss.

 

# David Benioff: Alles auf Anfang (aus dem Amerikanischen von Ursula-Maria Mössner); 272 Seiten; Karl Blessing Verlag, München; € 17,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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