HELEN FITZGERALD: „FURCHTBAR LIEB"

Krissie ist Sozialarbeiterin in der Abteilung Kinderschutz in Glasgow, lebt reichlich chaotisch vor sich hin mit einem Mix aus Sex, Alkohol und der ein oder anderen Droge. Seit Kindertagen ist Sarah ihre beste Freundin, obwohl sie so völlig gegensätzlich ist. Von jeher eher brav, führt sie eine perfekte Ehe mit dem Arzt Kyle im perfekten Haus.

Ihre einzige wirkliche Leidenschaft ist der Wunsch nach einem Kind, den sie allerdings so obsessiv verfolgt, dass es ihre Ehe auf den Grund treibt. Wie ungerecht, dass ausgerechnet Krissie sich derweil bei einem zugedröhnten Kurzsex auf einer Disco-Toilette von einem Unbekannten schwängern lässt und sie Sarah nach einer plastisch beschriebenen postnatalen Depression eingestehen muss, dass sie offenbar eine ziemlich schlechte Mutter ist. Dass diese Situation die Freundschaft schwer belastet, erscheint logischer, als die Idee, sowohl diese wie auch die erkaltete Ehe durch einen Trekkingurlaub zu Dritt im schottischen Hochland beheben zu wollen. Was dann auch auf fatale Weise schiefgeht.

Furchtbar lieb" heißt dieser Debütroman von Helen FitzGerald, einer ehemaligen Sozialarbeiterin im Strafvollzug. Wer allerdings trotz der drastischen und zuweilen gar rüden Sprache meint, es handle sich um einen typischen lifestyle-geprägten Frauenroman, liegt gründlich falsch. Die haarsträubende und zugleich außerordentlich temporeiche und packend erzählte Geschichte streut von Beginn an zunächst kaum zu bemerkende Fährten für einen ausgewachsenen Thriller.

Wenn dann die kontrollsüchtige Sarah dadurch düpiert wird, dass die promiske Krissie mit ihrem Kyle anbändelt und es zum nächtlichen Disput der Furien kommt, bei dem die eine einen Felsen herabgestürzt wird, wundert man sich als Leser: man ist doch erst auf der Hälfte des Buches angelangt! Und tatsächlich kommt das bitterböse und schwarzhumorige Karussell der Beziehungsprobleme jetzt erst richtig auf Touren und führt in Abgründe, die allmählich in einem aberwitzig dramatischen Finale Licht in allerlei Abrgünde bringt.

Mehr sei hier nicht verraten, zugleich aber Zartbesaiteten von dieser mitreißenden Lektüre abgeraten, denn es geht nicht nur ausgesprochen sarkastisch zu, manche Szenen stoßen in Grenzbereiche vor. Um so erstaunlicher bleibt zum Schluss des großartig gelungenen Romans die Erkenntnis, dass die Bösen ebenso wenig gänzlich böse sind wie die Guten nur gut. Und man kann nicht anders: man muss diese Rotzgöre Krissie trotz allem einfach gern haben!

 

# Helen Fitz Gerald: Furchtbar lieb (aus dem Englischen von Steffen Jacobs); 239 Seiten, Klappenbroschur; Verlag Galiani, Berlin;

€ 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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