KAMRAN PASHA: „AISCHA UND MOHAMMED"

Nicht weniger als die Entstehungsgeschichte des Islam beschreibt Kamran Pasha in seinem Roman „Aischa und Mohammed". Westlich orientierte Leser müssen jedoch nicht befürchten, mit einer einseitig glorifizierenden Erweckungsgeschichte gelangweilt zu werden, denn der pakistanische Schriftsteller, der seit seiner Jugend in den USA lebt und als Drehbuchautor arbeitet, schafft ein ungeheuer fesselndes Epos, indem er das Alles ausgerechnet von einer Frau erzählen lässt.

Diese Aischa allerdings war als dritte Ehefrau des Propheten Mohammed eine der berühmtesten Frauen ihrer Zeit. Die Lieblingsfrau des Religionsgründers kannte ihn bereits als kleines Mädchen, denn ihr Vater war einer seiner engsten Freunde. Und nun steht Aischa an der Schwelle zum Tod und gibt ihrem Neffen Abdallah gegenüber als eine der wichtigsten historischen Quellen zu Person und Wirken Mohammed eine Art Lebensbeichte ab. Mag dessen Lieblingsfrau bei der Heirat auch erst sechs Jahre alt gewesen sein, so erweist sie sich früh als höchst intelligent und besitzt offenbar die Gabe eines phänomenalen Gedächtnisses.

In opulenter, orientalisch farbenfreudiger Sprache schildert Aischa nun zunächst die Frühzeit des Islam, als die Muslime von den Mächtigen Mekkas derartig angefeindet wurden, dass man Mordkomplotte gegen deren Anführer ausheckte. Der charismatische Mohammed – der allerdings durchgehend fast nur eher indirekt beschrieben wird – entgeht den Mördern aber nicht nur, es gelingt ihm sogar, deren Anführer Umar auf seine Seite zu ziehen. Schon früh zeigt sich hier die fatale Ironie der Geschichte des Islam, dass dessen Begründer ein Mann des Friedens und der Tolernaz war und dennoch bereits zu seinen Lebzeiten unendlich viel Blut fließt.

Aischa schildert mit dem Siegeszug der Muslime auch immer wieder auf packende, wenngleich schaurig realistische Weise die wilden Schlachten, mit denen Mohammed oft gegen jede Wahrscheinlichkeit einen Sieg nach dem anderen davonträgt. Doch Aischa zeigt den Propheten auch als Mann des Wortes und sie gehört später zu den wichtigsten Überlieferern all der Offenbarungen, die ihm widerfuhren, als diese 30 Jahre nach seinem Tod gesammelt und als Koran zum heiligen Buch des Islam zusammengefasst werden.

Immer wieder scheinen die entscheidenden Glaubensfragen durch und die Verbalinspirationen Mohammeds bieten für nicht-muslimische Leser sicher manche Überraschung. Dabei bleibt das durch und durch fesselnd geschriebene Buch in seiner ebenso emotionalen wie morgenländisch prachtvollen Ausdrucksweise bis zuletzt ein Quell intensivster Lesevergnügens, das zugleich eine elegante Geschichtsaufklärung gibt.

Dafür sorgt auch die hervorragende Recherche des Autors, die bis in jenes geschichtsträchtige Verschulden der Lieblingsfrau des Propheten reicht, als sie im Jahr 656 das Schisma der Muslime mit dem Aufruhr gegen den vierten Kalifen Ali heraufbeschwor, das bis heute ein offener Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten geblieben ist. Andererseits finden sich auch Passagen, die staunen lassen. Sei es, wenn da die Strategie der religiösen Toleranz gegenüber eroberten Völkern zum Erfolgsrezept für das rasant wachsende islamische Imperium wird und auf das Koran-Gebot verwiesen wird: „Niemand soll zum Glauben gezwungen werden."

Ebenso wird jedoch auch offenbar, in welchem Maße die im siebten Jahrhundert vorgegebenen Worte Gottes angeblich buchstäblich in den Koran eingeflossen sind und nichts davon anders gesehen werden darf als damals. Schon diese Einblicke in das Gedankengebäude ursprünglicher Glaubensgrundsätze mit ihren Auswirkungen bis in seine heutigen, teils so dogmatisch und gewalttätig vorgetragenen Fundamentalismen machen dieses grandiose literarische Werk zu einem ganz wichtigen Buch. Ein Lesegenuss auf hohem Niveau ist es obendrein.

 

# Kamran Pascha: Aischa und Mohammed. Ein Roman über die Seele des Islam (aus dem Amerikanischen von Irmengard Gabler); 668 Seiten; Scherz Verlag, Frankfurt; 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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