TAHMIMA ANAM: „ZEIT DER VERHEIßUNGEN"

Recht wenig weiß man im Westen vom äußerst blutigen Freiheitskrieg, mit dem das frühere Ost-Pakistan sich 1971 die Unabhängigkeit als neuer Staat Bangladesh erkämpfte. Die 1975 dort geborene Autorin Tahmima Anam hat diesem Ringen nun ihren bereits vielfach preisgekrönten Debütroman „Zeit der Verheißungen" gewidmet.

Doch sie hat keine der typischen Bürgerkriegsgeschichten verfasst, sondern bettet das neunmonatige Ringen ein in eine Familiengeschichte und macht sie so weit persönlicher, als es jeder politische Roman vermocht hätte. Im Prolog teilt die Witwe Rehana Haque ihrem verstorbenen Mann am Grab mit, dass sie heute die Kinder verloren habe. Tatsächlich hatte der Richter entschieden, dass die Witwe mangels ausreichenden Einkommens diese nicht aufziehen könne.

Die beiden Kleinen kommen deshalb zu einem kinderlosen Onkel im westpakistanischen Lahore und leben damit von der Mutter getrennt durch das gesamte dazwischenliegende Indien. Rehana aber ist eine leidenschaftliche Mutter und so gelingt es ihr auf schamvoll verschwiegenen Umwegen, ihre Kinder bereits ein Jahr später zurückzuholen, nachdem sie durch den Bau eines großen Hauses für Mieteinnahmen gesorgt hat.

Nun aber schreibt man den März 1971, die bengalische, also ostpakistanische Awami-Liga hat die ersten freien Wahlen Gesamt-Pakistans gewonnen und müsste eigentlich die Regierung übernehmen. Das lassen die westpakistanischen Herrscher und vor allem die Armee aber nicht zu. Es kommt zu Aufruhr und die Soldateska marschiert gegen die Studentenbewegung auf, die für eine Unabhängigkeit des ethnisch und sprachlich so anderen Ost-Pakistans kämpft und im Nu zur Guerillaarmee wird.

Die völlig unpolitische Rehana wird nun zur direkt betroffenen Beobachterin, denn der sonst so verträumte, inzwischen 19-jährige Sohn Sohail geht zu den Rebellen und die ungebärdige Maya (17) überlebt schließlich nur durch die Flucht nach Indien wie Millionen andere auch. Doch auch Rehana selbst bleibt nicht unbeteiligt, legt sogar ein Waffenlager in ihrem üppigen Rosengarten an und rettet einem schwer verwundeten Major durch selbstlose Pflege das Leben.

In den neun Monaten bis zum Sieg der Bengalen und der weltweiten Anerkennung Bangladeshs im Dezember 1971 hat auch die so starr in den überkommenen Konventionen verhaftete Rehana ein politisches Bewusstsein entwickelt und sie gehört zugleich zu den Glücklichen, deren Sohn unversehrt und deren Tochter ungeschändet dem entsetzlichen Ringen – das maßgeblich durch das Eingreifen Indiens entschieden wurde – entkommen sind.

Das Alles ist bewegend und zuweilen in Bollywood-Manier dramatisch ausufernd geschrieben und dennoch ein großartiges Stück Literatur, das eine Familiengeschichte vor realem historischem Hintergrund auf spannende Weise ausbreitet.

 

# Tahmima Anam: Zeit der Verheißungen (aus dem Englischen von Anke Caroline Burger); 318 Seiten; Insel Verlag, Berlin; € 19,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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