GILES FODEN: „DIE GEOMETRIE DER WOLKEN"

Ein Roman über Wetterkundler, muss das nicht trocken und langweilig für nahezu jeden Leser sein? Nicht, wenn es so authentisch und spannend aufbereitet ist wie in „Die Geometrie der Wolken", dem neuen Werk des englischen Erfolgsautors Giles Foden.

Es geht um nicht weniger als eine Grundvoraussetzung der Operation „Overlord", der alliierten Invasion in Frankreich im Juni 1944. Eisenhower, Montgomery und Churchill stehen bereit, um eine Flotte von 7000 Schiffen, 11000 Flugzeugen sowie Streitkräfte von rund 70000 Mann an die Küste der Normandie zu schicken. Doch dazu brauchen sie gesicherte Wetterprognosen, denn eine solche Streitmacht kann man nicht in ein ausgewachsenes Sturmtief entsenden.

Gefordert sind Vollmond, niedrige Tide und ruhiges Wetter mit guter Sicht bei einem Zeitfenster von fünf Tagen – in einer Zeit, da alles über zwei Tage im Voraus zur Kaffeesatzleserei gerät. Es gibt jedoch einen genialen Wissenschaftler, der ein System zur exakten Vorhersage einer der unberechenbarsten Wetterphänomenen entwickelt haben soll, den wetterbestimmenden Turbulenzen über dem Atlantik. Dieser Wallace Ryman ist aber dummerweise ein unbeugsamer Quäker und Pazifist, der jegliche Unterstützung für das Militär verweigert. Um ihm dennoch die sogenannten Ryman-Zahlen abzuluchsen, entsendet das britische Meteorological Office nun den jungen, aber bereits renommierten Mathematiker und Wetterforscher Henry Meadows von der Universität Cambridge in den unwirtlichen hohen Norden Schottlands.

Als Meadows' fiktive Autobiographie ist dieser subtil packende Roman denn auch angelegt und das Ringen dieser beiden Wetterexperten entfesselt ein meisterhaftes Psychogramm aller Beteiligten. So unzugänglich und querköpfig Ryman sich gebärdet, so unglücklich agiert Frauenfreund Meadows bei Rymans junger Gattin. Doch mindestens ebenso hinreißend schildert der Autor auch die Athmosphäre in diesem Frühjahr 1944 in England – immer noch in Reichweite deutscher Bomber und Raketen, ein riesenhaftes Invasionsheer in Lauerstellung im Wissen, dass die Nazis ihren Westwall zum fast unüberwindlichen Bollwerk ausgebaut haben, während sie im Osten unter schwerster Bedrängnis stehen.

Welch eine Verantwortung für die uniformierten Wetterfrösche, als sie schließlich das fast unwahrscheinlich erscheinende Zeitfenster eines kurzen Zwischenhochs mitten in einer massiven Sturmtiefzone als gesichert benennen und Oberbefehlshaber Eisenhower daraufhin das definitive „Yeah" gibt. Wird das Wetter wirklich halten und – inwieweit wissen die Deutschen ebenfalls über dieses Zeitfenster bescheid?! Auf einer ungewöhnlichen Seereise Jahrzehnte nach der Invasion vom 6. Juni 1944 sinniert der gealterte Meadows über die kriegsentscheidende Wettervorhersage nach, die sich tatsächlich als zutreffend erwies.

Das Alles ist trotz manch wissenschaftlicher Ausführungen ausgesprochen lebendig geraten und glänzt mit bestechenden Charakterzeichnungen. Und so wie der Hintergrund und der größte Teil der geschilderten Ereignisse historisch belegt sind, hat auch die Person des Ryman ein echtes Vorbild: Lewis Fry Richardson. Der als Vater der modernen Wettererkundung geltende Wissenschaftler verweigerte sich jeglicher Unterstützung für das militärische Niederringen des Faschismus in Europa, nachdem man nach dem Ersten Weltkrieg von ihm Wetterberechnungen für den Einsatz von Giftgas verlangt hatte.

Fazit: ein anspruchsvoller Spannungsroman um Wissenschaft und ihren geschichtsträchtigen Einsatz, der mit vergleichbaren Werken von Daniel Kehlmann oder Frank Schätzing spielend mithalten kann.

 

# Giles Foden: Die Geometrie der Wolken (aus dem Englischen von Hannes Meyer); 392 Seiten; Aufbau Verlag, Berlin; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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