PHILIPP TINGLER: „DOKTOR PHIL"

Goethe und Thomas Mann haben sich mit großartigen Werken des Faust angenommen, nun hat Philipp Tingler die Geschichte vom Teufelspakt in die Gegenwart versetzt und er schlägt ungeahnte Funken aus der Volkssage. „Doktor Phil" hat der in Berlin geborene und in Zürich lebende Autor seinen Roman betitelt und Oskar Canow quasi als sein alter ego in den Mittelpunkt gestellt.

Doch dieser Canow ist kein wissendurstiger Faust, der seine Seele für den endgültigen Kick verkauft. Wenn überhaupt, dann verriete er vielleicht die eigene Mutter für eine gute Pointe. Aber mit was sollte der Teufel einen erfolgreichen Schriftsteller locken können, dem es mit Villa in feiner Züricher Lage, Privatsekretärin, Personal Trainer und exquisiter Gattin aus englischem Geldadel derartig gut geht?!

Umgeben von feinstem Lifestyle-Gedöns und stets in Kreisen verkehrend, die materiell gesegnet und geistig auf abgehobenes Tralala gebürstet sind, lebt Canow in einer Art kalorienkontrolliertem Botox-Babylon von Müßiggängern, deren umtriebige Tatenlosigkeit nur drei Sorgen kennt: welche Marke ist gerade angesagt, welches Medikament wirkt am aufhellendsten und wie verbringe ich die Tage ohne Langeweile. Wenn da der Höllenfürst als Modeschöpfer gestaltet bei Oskar an der Villentür klingelt, wird er zunächst mit Käsebällchen gefüttert, kann aber kaum bei dem intelligenten Enddreißiger mit seinen Verlockungen durchdringen.

Sein Angebot: ein angenehmes Auskommen, viel Schaffenskraft und höchste literarische Anerkennung. Nicht mal die Seele will er als Gegenpreis, Oskar soll nur bereit sein, sein Todesdatum zu wissen. Doch – was soll den so wohlsituierten Oskar an dem Angebot reizen können, ist er doch längst ein Glückskind, wie er selbst findet. Irgendwie scheint Satan dem Zeitgeist hinterherzuhinken. Übrigens auch äußerlich und daraus entsteht einer der komödiantischen Höhepunkte, wenn Oskar mit dem modisch unansehnlichen Luzifer – jetzt in Gestalt von Theodor Adorno! - zum Hosenkauf geht.

Den Teufelspakt jedoch verzögert Oskar in hinreißenden Dialogen immerhin soweit, dass daraus zunächst nur ein Probe-Abo wird. Zugleich entwickeln sich fasszinierende intellektuell sprühende Rededuelle insbesondere zwischen den Eheleuten, aber auch mit dem einzigartigen Panoptikum der feinen Gesellschaft, die sich ausschließlich über Attraktivität und Stil interpretiert.

Der Gegensatz zum philosophischen Tiefgang glitzert dabei um so faszinierender und wenn zum Finale aus dem pathetisch-altmodischen Teufel ein Auerhahn wird – lassen Sie sich einfach überraschen! Das Alles bietet ein brillantes Feuerwerk elegantester Sprache in einem geradezu narzisstischen Stil und funkelt mal mit hochgeistigen Ausführungen und dann wieder mit umwerfender Situationskomik.

 

# Philipp Tingler: Doktor Phil; 351 Seiten; Kein & Aber Verlag, Zürich; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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