HEIKE B. GÖRTEMAKER: „EVA BRAUN"

Ein kluges Mädchen, das für den Führer sehr viel bedeutet", notierte der mit Hitler aufs engste vertraute Joseph Goebbels über dessen Geliebte Eva Braun in sein Tagebuch. Außerdem wurde sie schon in Hitlers Testament von 1938 gleich nach der Partei erwähnt und sollte im Falle des Falles eine lebenslange hohe Rente beziehen.

Das gehört zu den gesicherten Erkenntnissen, die die Historikerin Heike B. Görtemaker in der ersten streng wissenschaftlichen Biographie zur Hitler-Partnerin unter dem Titel „Eva Braun. Leben mit Hitler" untersucht hat. Unter Verzicht auf vielerlei oft fragwürdige Anekdoten versucht sie, das Verhältnis der Beiden so eingehend wie möglich darzulegen. Unstrittig ist, dass Adolf Hitler die damals 17-jähirge Tochter eines Berufschullehrers 1929 bei seinem Leibfotografen Hoffmann in München kennenlernte.

Man weiß von zwei mehr oder weniger ernst gemeinten Selbstmordversuchen der attraktiven jungen Dame, mit denen sie offenbar die Vertiefung der Beziehung vorantrieb. Immerhin unterhielt der 23 Jahre ältere Hitler dann eine Wohnung und später ein Haus für sie. Noch wichtiger war jedoch ihre Rolle als heimliche Hausherrin auf dem Obersalzberg, Hitlers Refugium, auf dem es auch manch hochrangige politische Begegnungen gab. Offiziell in der Funktion einer Privatsekretärin, ging ihr Auftreten schließlich so weit, dass die Beiden sich dort sogar vor Dritten duzten. Ganz im Gegensatz zur Hintergrundrolle, die die fesche und sehr modebewusste Sportlerin in Berlin zu erdulden hatte.

Wenn das persönliche Bild trotz der insgesamt rund 15 Jahre währenden Beziehung diffus und in vielem ausgesprochen spekulativ bleibt, ist das der äußerst dürftigen Quellenlage geschuldet. Die Biographin macht kein Hehl aus diesen gravierenden Lücken, denn viele Aussagen aus dem nahen Umfeld Beider wie auch die als fragwürdig anzusehenden Tagebuchfragmente Eva Brauns sind meist vage oder widersprüchlich. Klar ist dagegen das psychologische Kalkül des nach außen hin asexuellen, ganz dem Vaterland und der großen Aufgabe hingegebenen Führers, dessen Mythos wie bei einem Filmstar mit einer Frau an seiner Seite nicht nur bei seinen weiblichen Bewunderern zu sehr auf Normalmaß geschrumpft wäre.

Wenn es andererseits wenig Schriftliches gab, so lag das an Hitlers Befehl kurz vorm Ende, alle privaten Unterlagen zu vernichten und damit auch den Schriftwechsel zwischen ihm und Eva Braun, den es nachweislich gegeben hat. Immerhin schält die Historikerin die mutmaßlich keineswegs politisch Naive als „kapriziöse, kompromisslose Verfechterin der unbedingten Treue gegenüber dem Diktator" heraus. Und wenn man ihre 'Leistung' als Hitler-Geliebte auf Grund der gesicherten Fakten bewerten will, so muss man ihr eine ungeheure Energie zubilligen, mit der sie sich gegen viele Widerstände auch Hitlers selbst ihren Platz an seiner Seite bis hin zur Eheschließung am Vorabend des gemeinsamen Selbstmords erkämpfte.

Heike B. Görtemakers Verdienst ist auf jeden Fall, das diffuse Bild Eva Brauns um einiges versachlicht zu haben. Hinzu kommt ein deutlich detaillierteres Bild von Hitlers Leben außerhalb der offiziellen Bühne mit manch privaten Eigenheiten. Die Spekulationen über Hitlers sexuelles Gebaren kann übrigens auch Görtemaker nicht verifizieren, doch reichen ihr die auswertbaren Berichte aus dem persönlichen Umfeld, um von einem normalen, intimen Verhältnis des Paares auszugehen. Soweit der Begriff „normal" auf Hitler überhaupt eine Anwendung finden kann...

 

# Heike B. Görtemaker: Eva Braun. Leben mit Hitler; 366 Seiten, div. Abb.; C. H. Beck Verlag, München;

€ 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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