HEINRICH STEINFEST: „GEWITTER ÜBER PLUTO"

Ein Krimiautor mit Kultstatus? Bei dem Österreicher Heinrich Steinfest ist das längst der Fall, wenngleich man statt reißerischer Action hier skurrile Gedankengänge, boshafte philosophische Abweichungen und Krimihandlungen in Kauf nehmen muss, die ebenso ungradlinig wie originell verlaufen.

So auch bei dem jüngsten Geniestreich „Gewitter über Pluto", der seine Spannung keineswegs aus einer Täter-Opfer-Beziehung holt. Dabei geht es anfangs überhaupt nicht kriminell zu, wenn der immer noch attraktive und voll funktionsfähige Pornodarsteller Lorenz Mohn während der Dreharbeiten für einen weiteren unspektakulären Pornofilm übers Karriereende nachgrübelt und dabei ein versonnen strickender Nackedei in Erwartung des nächsten Körpereinsatzes ihm die Inspiration seines Lebens beschert.

Einen Strickwarenladen will er eröffnen und er freut sich auf die radikale Weichenstellung. „Plutos Liebe" soll der Laden heißen und etwas richtig Schnuckeliges soll er werden. Also braucht er Geld und wenig zimperlich will er satte 200.000 Euro investieren. Und wieder ist das Schicksal weiblich, denn der schöne Lorenz lässt sich für das Darlehen auf ein Angebot der diabolischen Claire Montbard ein, obwohl sich die Konditionen hören sich arg verdächtig anhören: wenn er das zinslose Darlehen nicht bis exakt auf den Tag genau in sieben Jahren zurückzahlt, muss er an just jenem 14. Juli 2015 ein ganz bestimmtes Leben retten!

Erstmal aber gerät Lorenz in einen Mordfall, denn in dem Ladenlokal für „Plutos Liebe" stolpert er regelrecht über die Leiche des Vorbesitzers. Dieser Bäcker namens Nix war ganz nebenher Hobbyforscher in Sachen Archäopterix und damit geht es endgültig in ganz andere Dimensionen, denn Außerirdische vom Planet X spielen eine viel größere Rolle auf Erden, als wir Menschen ahnen. Und die machen Lorenz zum Agenten, der ihnen einen Archäopterix und ein Werk von Picasso besorgen soll. Alles klar?!

Wer sich auf diese ebenso verzwickte wie vor genüsslich ausgewalzter Fantasie übersprudelnde Lektüre einlässt, bekommt weit mehr als nur ein aberwitziges Finale kredenzt. Lorenz stolpert nicht nur in eine wunderbare Liebesbeziehung, die böse Claire ist so kalt wie außerirdisch und das Ganze schäumt auf bitterböse hohem Niveau mit vielen geistreichen Haarspaltereien und bei all der ätzenden Prosa verzichtet der Sprachmagier ganz nebenher sogar auf ein 13. Kapitel. Fazit: wer es boshaft mag und nicht auf typische Tatort-Krimikost festgelegt ist, findet hier ein hinreißendes Lesevergnügen.

 

# Heinrich Steinfest: Gewitter über Pluto; 423 Seiten; Piper Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A: NIEMANN (wan/JULIUS)

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