PHILIPPE MÉNARD: „MARCO POLO"

Noch heute fesseln die abenteuerlichen Reiseberichte Marco Polos aus dem 13. Jahrhundert. Jetzt erzählt Philippe Ménard die Geschichte der sagenumwobenen Erlebnisse, der exotischen Länder und fremden Völker in einem prachtvollen Textbildband nach. Der emeritierte Professor für Literatur des Mittelalters stützt sich dabei im wesentlichen auf die sechs verschiedenen Urschriften der Berichte.

Marco Polo. Die Geschichte einer legendären Reise" ist der Band überschrieben und er macht verständlich, welche Faszination er vor allem in seinen frühen Zeiten hervorrufen musste, denn erstmals bekam das Abendland eine Ahnung von der ungeheuren Vielfalt und Größe Asiens. Viele der Schilderungen aus dem alten Persien, aus Mittelasien, China und einem großen Teil des Fernen Ostens begeistern noch heute. Ob entlang der sagenumwobenen Seidenstraße, ob am Hofe des Kublai Khan oder auf der verlustreichen Heimreise per Schiff nach über 20 Jahren Abwesenheit von Venedig – das ist ein überaus bunter Bilderbogen.

Das Alles erzählt der ehemalige Professor der Pariser Sorbonne sehr lebendig. Anzumerken ist jedoch, dass es sich bei diesem Buch nicht um eine kritische Ausgabe handelt. Ménard weist im Epilog bekannte Kritiker am Wahrheitsgehalt der Originalberichte sogar zurück, doch lässt er selbst in weiten Teilen offen, inwieweit Marco Polo hier Selbsterlebtes schildert. Vielfach spekuliert er einfach wie zum Beispiel bei den Mutmaßungen über die Assassinen oder er bietet schwammige Erklärungen für Nichterwähnungen wie bei Kaiserin Chabi oder solch grundlegenden chinesischen Besonderheiten wie die Große Mauer oder die Bedeutung des Tees.

Kaum zu glauben bei einem Mann, der angeblich nicht nur 17 Jahre in China gelebt sondern sogar bis zum Vertrauten des Kaisers aufgestiegen ist. Man kann es kaum wissenschaftlich nennen, wenn der Autor dann immer wieder Abschwächungen wie „offenbar", „möglicherweise" oder „vermutlich" in seine Darlegungen einbaut und diese damit selbst als Spekulationen entlarvt. Das gipfelt schließlich bei Großkaiser Kublai Khan als großem Förderer von Kunst, Literatur und Architektur in der verblüffenden Begründung: „Über all dies schweigt Marco Polo. Aus der überwältigenden Vielfalt des Vorgefundnene musste er notgedrungen eine Auswahl treffen."

Dem ist nur hinzuzufügen, dass der Großband als farbige Nacherzählung der Hinterlassenschaft des Venezianers durch den Literaturwissenschaftler ohne den Anspruch auf historische Genauigkeit – ähnlich den Geschichten aus „1001 Nacht" - wunderbar unterhalten kann. Dazu tragen auch die vielen Abbildungen bei, seien es zeitgenössische Darstelleungen, mittelalterliche Buchmalereien oder aktuelle Fotos von Land und Leuten.

 

# Philippe Ménard: Marco Polo. Die Geschichte einer legendären Reise (aus dem Französischen von Birgit Lamerz-Beckschäfer); 192 Seiten, div. Abb, Großformat; Primus Verlag, Darmstadt; € 39,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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