MALLA NUNN: „EIN SCHÖNER ORT ZU STERBEN"

Wenn Anfang der 50er Jahre der Polizeichef eines Provinznests in Südafrika ermordet aufgefunden wird, kann nach dem Selbstverständnis der herrschenden Weißen nur ein Schwarzer der Mörder gewesen sein. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die von den Buren dominierte Staatsgewalt die Apartheid mit weiteren Rassen- und Sittlichkeitsgesetzen verschärft und die Schergen der „Security Branch" sorgten für die rabiate Ahndung eventueller Verstöße.

Das ist der düstere gesellschaftliche Rahmen in Malla Nunns Kriminalroman „Ein schöner Ort zu sterben". Zur Aufklärung des Verbrechsn an dem Polizeioffizier entsendet man aus dem fernen Johannesburg den englisch-stämmigen Detective Sergeant Emmanuel Cooper, der nun ganz allein auf sich gestellt in Jacob's Rest in dieser von Misstrauen, Angst und gewalttätigem Rassendünkel aufgeladenen Athmosphäre die Wahrheit herausfinden soll. Dabei wird ihm der Täter quasi auf dem Tablett serviert, ein Sittenstrolch, der seit einiger Zeit Frauen in der Gegend belästigt hat. Und natürlich ist es ein Schwarzer.

Dabei steht jegliche Beziehung über die Rassengrenzen hinweg unter Strafe und die gottesfürchtige Witwe von Polizei-Chef Pretorius erklärt Cooper voller Überzeugung: „Wir Europäer haben uns bereits weiter vom Tier wegentwickelt als die Schwarzen und die Farbigen." Das ist quasi die Grundlage des Rassenwahns insbesondere der Afrikaander mit dem strenggläubigen niederländischen Hintergrund. Weshalb die Witwe auch unmissverständlich sagt, dass nur entartete Menschen die gottgegebenen Grenzen zwischen den Stämmen der Weißen und der Schwarzen überschreiten.

Die „Missus" des vermeintlich so rechtschaffenen Pretorius wird dabei von ihren selbstgefälligen Söhnen in ihrem Wahn von der reinen weißen Rasse tatkräftig unterstützt und der zarte Louis fühlt sich gar zu besonderem Missionarstum auserwählt. Unausweichlich stößt der der Vernunft und seinem Auftrag der Tatsachenfeststellung verpflichtete Cooper auf mal heimtückischen, mal offen gewaltsamen Widerstand jener Weißen, bei denen er mit seinen Nachforschungen aber auch mit seinem eher unverkrampften Umgang mit den Nichtweißen wütendes Unverständnis hervorruft.

Und er stößt auf Geheimnisse, die so gar nicht zu den Unsittlichkeitsgesetzen passen wollen, denn der ehrbare Pretorius hat sich offenbar selbst nicht daran gehalten. Als „Entarteter" hat er sich in die junge Farbige Davida verliebt und in aller Heimlichkeit sämtliche Vorschriften gebrochen. Natürlich können seine Söhne nicht zulassen, dass auch nur der Schatten des Verdachtes, ihr Vater könnte ein Lügner und Ehebrecher gewesen sein, auf die Familie fällt.

Wegen seiner unbestechlichen Vorgehensweise gerät der durchaus nicht besonders heldenhafte Cooper auch als „Kaffernbruder" - der böse Vorwurf, ein Negerfreund zu sein! - zwischen ziemlich sämtliche Stühle. Derart zum Fremdkörper in einem durch und durch faschistoiden System geworden, erlebt er lebensgefährliche handreifliche Übergriffe. Unterstützung findet er unter anderem ausgerechnet bei einem dem Holocaust entkommenen jüdischen Krämer, der in Wirklichkeit Arzt ist.

Malla Nunn hat hier einen Roman vorgelegt, der aufwühlt und wütend macht, zumal man nur zu gut weiß, dass es noch Jahrzehnte dauerte bis zu einer Überwindung des bigotten Apartheid-Regimes. Und die Autorin zeichnet nicht nur sehr überzeugende Charaktere, das alles atmet auch schlimme Authentizität, denn sie lebt zwar in Australien, wurde aber selbst im Swasiland geboren und hat hier auch reale Ereignisse ihrer eigenen Familiengeschichte einfließen lassen. Fazit: ein grandioser und schmerzhaft realistischer Roman und ein wichtiges Buch gegen das Vergessen obendrein.

 

# Malla Nunn: Ein schöner Ort zu sterben (aus dem Englischen von Armin Gontermann); 407 Seiten; Rütten & Loening Verlag, Berlin; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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