LINUS REICHLIN: „DER ASSISTENT DER STERNE"

Alles ist Zufall und es gibt kein Schicksal, davon ist Hannes Jensen, mit Anfang 50 in den vorzeitigen Ruhestand gegangener Kriminalist, als ganz der Vernunft ergebener Hobby-Physiker fest überzeugt. Doch auch er kann dem Schicksal nicht entrinnen und das geht zuweilen verschlungene und aberwitzige Wege. Wobei ausgerechnet die ominösen Voraussagen eines afrikanischen Feticheurs eine fatale Rolle zu spielen scheinen.

Dieser Lulambo geistert denn auch als dunkle Ahnung und gewissermaßen als „Der Assistent der Sterne" durch Linus Reichlins gleichnamigen Roman. Der mit dem Deutschen Krimipreis 2009 ausgezeichnete Schweizer Autor schickt den deutschen Kriminalisten in ehemals belgischen Diensten diesmal statt wie zuletzt nach Mexiko zunächst einmal zu einem Physik-Seminar nach Island. Dort rettet er die attraktive Ilunga Likasi vorm Gletschertod, lässt sich aber auch auf eine hitzige Nacht mit dieser ihm völlig unbekannten Assistentin des schwierigen Physikprofessors seines Seminars ein.

Wieder daheim im winterlichen Brügge hat Jensen zwei Probleme: einerseits möchte er die ohnehin komplizierte Beziehung zu seiner viel jüngeren blinden Freundin Annick nicht durch eine Beichte gefährden, zumal sie schwanger von ihm ist. Andererseits hat ihm die wilde Ilunga einen so heftigen Liebesbiss in den Hals verpasst, dass dieser sich entzündet. Vor Annicks Blicken ist Jensen zwar sicher, doch sie beunruhigt ihn mit etwas ganz anderem: ein Feticheur habe ihrer besten Freundin prophezeit, ihre einzige Tochter werde von einem Mann umgebracht werden, der ein Mal am Hals trage.

Jensen versucht nun alles, um die Weissagungen, an die er nicht glauben will, nicht eintreffen zu lassen. Zumal er diese Tochter nicht einmal kennt, wie er meint. Zunächst aber kommt quasi als Folge der Verwicklungen deren Mutter ums Leben. Gleichwohl weigert sich Jensen, seinerseits ein Verschulden zu sehen, denn: „Ohne Absicht keine Schuld". Doch dann entgleiten ihm die Dinge, denn plötzlich taucht der Wagen der Tochter auf mit fatalen Spuren – Blut und ein Hinweis darauf, dass die ihm doch Unbekannte ihn erpresst hat.

Der Ermittler als Täter? Mystische Vorgänge mit sich selbst erfüllenden Prophezeiungen? Linus Reichlin hat hier eine ebenso ungewöhnliche wie gelungene Gratwanderung für einen bis zuletzt fesselnden Krimi aufgelegt, der gerade vom Geheimnisvollen und den unentrinnbaren Irrungen und Wirrungen des Schicksals lebt. Dank der wunderbar gezeichneten Charaktere, die immer wieder verblüffen oder gar verstören, aber auch aufgrund der glaubhaften inneren Zerrissenheit des grüblerischen Kriminalisten überzeugt dieser Roman weit über das Genre hinaus als anspruchsvolle Spannungslektüre.

 

# Linus Reichlin: Der Assistent der Sterne; 380 Seiten; Galiani Verlag, Berlin; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan7JULIUS)

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