MARK BEGO: „TINA TURNER – DIE BIOGRAFIE"

Tina Turner ist eine der außergewöhnlichsten und zugleich erfolgreichsten Sängerinnen der Rockgeschichte. Erst im April dieses Jahres beendete sie ihre jüngste Tournee, dabei feiert das noch immer attraktive Energiebündel jetzt ihren 70. Geburtstag! Am 26. November 1939 wurde sie in Brownsville, Tennessee, als Anna Mae Bullock geboren. Ihren Bühnennamen Tina Turner erhielt sie bereits 1960 als Folge ihres ersten Hitparadenerfolgs „A Fool in Love" von ihrem Band-Chef und späteren Ehemann Ike Turner.

Die Jugend in Nutbush City, die 16 Jahre lange Leidenszeit mit dem ebenso charismatischen wie jähzornigen Ike und die spätere Riesenkarriere hat der renommierte englische Biograf Mark Bego nun in seinem Buch „Tina Turner – Die Biografie" zusammengefasst. Ausführlich und teils auf persönlichen Interviews beruhend, wimdet sich Bego besonders detailliert den Jahren der ersten Karriere Tinas als dynamischer Erfolgsgarant des Show-Teams „Ike & Tina Turner" - getriezt, brutal misshandelt und unglaublich ausgenutzt von einem Berserker, den das Musikmagazin „Rolling Stone" schon 1971 als „bewaffneten, drogensüchtigen Verrückten" charakterisierte, der wegen des unmäßigen Drogenkonsums zur wandelnden Zeitbombe wurde.

1958 hatte die noch recht unscheinbare Tina den Chef der „Kings of Rhythm" kennengelernt und 1960 schaffte sie es von der Background- zur Leadsängerin. Dass sie auch seine Pertnerin und 1962 seine Ehefrau wurde, musste sie bitter bezahlen. Sie war zwar der entscheidende Faktor immer größerer Chart-Erfolge („Proud Mary", „Nutbush City Limits"), dennoch betrog er sie laufend, gab ihr nichts ab vom zunehmenden Geldsegen, stattdessen erhielt die Mutter der beiden gemeinsamen Kinder ständig Prügel bis hin zum Kieferbruch. Ungern sprach sie später über ihn, doch ihr Urteil ist eindeutig: „Er war ein böser Mensch und wie besessen."

Doch etwas gab ihr Kraft, die Aussage einer Wahrsagerin während ihrer 1966er England-Tournee wegen des ersten großen Europa-Hits „River Deep – Mountain High". Da hieß es, sie werde einst ein ganz großer Star, wogegen es mit ihrem Partner bergab gehe. Zunächst aber musste sie noch zehn Jahre unfassbarer Niedertracht durchleiden, bis ihr am 4. Juli 1976 „die Befreiung" gelang, als sie sich erstmals handgreiflich gegen massive Prügel wehrte und endgültig flüchtete. Wegen der lebensgefährlichn Rachsucht Ikes ging sie bis nach der Scheidung nur noch bewaffnet aus dem Haus.

Hatte sie bis dahin nur ein wenig persönliche Unterstützung durch die Kolleginnen Anne-Nargret und Cher erfahren, brauchte sie nun jedoch ganz andere Hilfe, denn Schulden plagten sie und ihre Karriere war am Boden. Aber sie war nicht unvergessen und zu den Bewunderern, die sich jetzt als Freunde und Helfer erwiesen, zählten unter anderem David Bowie, die Rolling Stones und Rod Stewart. Die Anfänge waren zwar zäh für den nie verzagenden, mittlerweile zur bekennenden Buddhistin gewordenen Ex-Star, doch neben der Förderung durch die Kollegen kamen ihr die Wechsel der Musikrichtungen Ende der 70er Jahre entgegen, die Bego hier ebenso spannend ausbreitet wie Tina Turners persönlichen Aufstieg in ungeahnte Höhen.

Weg vom gewohnten Rhythm&Blues wollte sie und tatsächlich entwickelte sie sich zur faszinierendsten Rock-Röhre der Musikgeschichte. Wie das hastig zusammengestellte Album „Private Dancer" sie an die Spitze katapultierte und gleich die erste Auskoppelung „What's love got to do with it" im September 1984 in den USA die Nummer 1 erklomm, wie dann auch noch die Filmrolle der Aunty Entity im Kultfilm „Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel" auf sie zukam und ein Hit nach dem anderen weltweit für Furore sorgte – all das liest sich faszinierend. Und es gipfelte in der kaum glaublichen Tatsache, dass diese Tina Turner mit 45 Jahren die angesagteste Frau im weltweit angesagtesten neuen Medium MTV war!

Auch der weitere Siegeszug mit immer neuen Millionsellern und sensationellen Tourneen bis hin zum Auftritt vor 188.000 Menschen 1988 in Rio de Janeiro wird detailgenau beschrieben. Einschließlich ihrer verfilmten Biographie und einigen, recht diskreten Ausführungen über das heutige Privatleben. Man erfährt, dass die so wilde Künstlerin fern der Bühne eher zurückgezogen lebt, nie Drogen genommen, nie geraucht und kaum Alkohol konsumiert hat. Von ihrem privaten Glück mit dem 17 Jahre jüngeren Europa-Manager ihrer Plattenfirma („Es war Liebe auf den ersten Blick!") erfährt man ebenfalls wenig mehr, als dass die Beiden in der Schweiz und am Mittelmeer wohnen.

Der Charme dieser Biografie liegt auch sonst weniger in überraschenden neuen Fakten oder einer tiefen privaten Nabelschau als in dem exzellent gefertigten Gesamtbild der unvergleichlichen Karriere der offenbar ewig jung bleibenden Anna Mae Bullock aus Tennessee, die als Tina Turner bis heute Millionen Menschen in aller Welt begeistert. Eingefleischte Musik-Liebhaber werden außerdem die vielen Szenedetails und die ausführliche Diskographie zu schätzen wissen.

 

# Mark Bego: Tina Turner – Die Biografie (aus dem Englsichen von Ulrike Lelickens); 335 Seiten, div. Abb.; Hannibal Verlag, Höfen; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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