GRIMMELSHAUSEN: „DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS DEUTSCH"

Ähnlich dem „Faust" zählt der „Simplicissimus" zu den großen alten Werken deutschsprachiger Weltliteratur. Jedem seit der Schulzeit geläufig, ist der „Faust" dank Goethe auch tatsächlich gelesen worden und daher auch inhaltlich wohlbekannt. Beim epochalen Roman aus dem Dreißigjährigen Krieg aber gaben selbst Bildungsbeflissene bald auf, weil das Riesenbuch in einer kaum noch verständlichen Weise geschrieben ist.

Dem hat nun der versierte Übersetzer Reinhard Kaiser mit seiner verdienstvollen Übertragung in lesbares Deutsch abgeholfen und in der Reihe 'Die andere Bibliothek' liegt das Werk jetzt in bibliophiler Fassung vor: „Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Siompicissimus Deutsch". Nun erkennt auch der Nicht-Germanist, welch großer Schelmenroman aus einer der dunkelsten Zeit deutsche Geschichte das ist.

Der Autor wurde vermutlich 1621 hineingeboren in diesen ersten totalen Krieg, der zwischen 1618 und 1648 an die zehn Millionen Menschenleben kostete und ganz Mitteleuropa in Anarchie und Elend stürzte. Erzählt wird die Lebensgeschichte des Melchior Sternfels von Fuchshaim, der als Simplicissimus – also höchst einfältiger Mensch – zunächst als Bauernbube Zuflucht bei einem Einsiedler sucht, nachdem kaiserliche Truppen sein Heimatdorf zerstört haben.

Alsbald wird er zum Narren und Spaßmacher, er erlebt und durchleidet Entführung und Gefangenschaft, wird zwischendurch als „Jäger von Soest" zum ebenso berühmten wie wohlhabenden Söldner. Um alles wieder zu verlieren einschließlich einer Ehefrau. Und dennoch versucht dieser Gottsucher und Schelm ein Guter zu sein, wenngleich sein Handeln oft genug das Gegenteil bewirkt. Doch wie soll einer noch an etwas glauben, da die Welt völlig aus den Fugen geraten ist und Folter, Vergewaltigung, Mord, Plündern und Brandschatzen allenthalben an der Tagesordnung sind?!

In seiner kraftvollen und unsentimentalen Sprache voller derber Bilder und Beschreibungen erzählt der vermeintliche Dummkopf von allgegenwärtiger Niedertracht, wie alles schwankt und auf nichts Verlass ist. Kein Wunder, dass er sich schließlich auf eine fabulöse Weltreise fortträumt und zuguterletzt als Eremit ganz von der grausigen Welt zurückzieht.

Übersetzer Reinhard Kaiser gelang es, das ebenso deftige wie sinnliche barocke Sprachgebräu von grammatikalischen und begrifflichen Stolpersteinen zu glätten und dennoch den verwegenen Geist gepaart mit grimmigem Humor zu erhalten. Immerhin war der „Simplicissimus" nach seinem Erscheinen um 1668/69 ein großer Erfolg – in dieser meisterhaften Neufassung sollte er nun neben dem „Faust" endlich ebenfalls zu einem Volksbuch werden, das auch gelesen wird.

 

# Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch. Aus dem deutschen des 17. Jahrhunderts und mit einem Nachwort von Reinhard Kaiser; 764 Seiten, 2 Bände im Schuber; Die andere Bibliothek, Eichborn Verlag, Frankfurt; € 49,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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