CHRIS HOWLAND: „YES, SIR!"

Eine der ungewöhnlichsten Nachkriegskarrieren in Deutschland machte ein waschechter Engländer, an den sich viel Menschen allerdings eher als „Mister Pumpernickel" denn als Chris Howland erinnern. Wenn dieses Multitalent nun seine Erinnerungen unter dem Titel „Yes, Sir!" vorlegt, dann verbirgt der Untertitel „Aus dem Blickwinkel eines englischen Gastarbeiters" ein wenig, was für ein Unterhaltungstalent er hat und das auch im Schreiben.

1928 in London geboren, kam er mit 18 Jahren zur Armee und hatte das Glück, dass man ihn sogleich nach Hamburg schickte, wo er beim BFN (British Forces Network), dem Soldatensender der britischen Besatzungszone, arbeiten sollte. Zwar hatte er eine wenig gückliche Kindheit durchlebt, doch offenbar hatte ihm sein früh fortgegangener Vater wenigstens eine entscheidende Gabe hinterlassen – der war prominenter Radiomoderator. Howland junior stieg beim BFN umgehend zum Chefsprecher und Chef der Musikabteilung auf.

Schon dabei gab es allerlei köstliche Erlebnisse, die Howland nun mit charmant trockenem Humor und erfreulich wenig Eitelkeit erzählt. Gewitzt, schlagfertig und mit immer neuen Ideen gewann er eine riesige Fan-Gemeinde und spontan, wie er war, ließ er sich 1952 von seiner ersten Frau Kay zu einem Experiment hinreißen: er sprach beim NWDR vor, dem Vorläufer von NDR und WDR, die erst einige Jahre später getrennte Wege gingen. Dem entsetzlich altbackenen Sender wollte der kaum 24-Jährige mit einer eigenen Sendung auf die Sprünge helfen. Dort biss man sofort an und im September sollte es losgehen mit „Spielereien mit Schallplatten". Howland konnte jedoch noch gar kein Deutsch und las in den 60 Minuten alles mit viel Akzent von den phonetisch geschriebenen Vorlagen ab.

Es wurde dennoch eine Sternstunde und der Erfolg des „Schallplattenjockeys" („DJ" wäre einfach zu undeutsch gewesen!) führte ihn sogar bis auf die Titelseite des SPIEGEL". Nach allerlei Drunter und Drüber landete Howland dann 1954 in Köln, wohin der BFN umgezogen war. Hier machte er sich auch beim WDR bald unentbehrlich, durch einen flapsigen Zufall entstand auch seine Markenzeichen „Heinrich Pumpernickel" und der bekennende Nichtsänger wurde sogar ab 1958 zum Schlagerstar mit Nonsens-Ohrwürmern wie „Das hab ich in Paris gelernt" oder der „Hämmerchen-Polka", alles dicke Hits.

Trotz so viel Beliebtheit kehrte er schließlich in seine Heimat zurück. Durchaus mit Erfolg auf der Insel, dennoch kam er schon nach zwei Jahren wieder nach Deutschland und er brachte eine Idee mit, die Fernsehgeschichte schrieb: aus der britischen „Candid Camera" machte er mit noch heute unvergessenen Gags die Reihe „Vorsicht Kamera!". Deren Ende schon nach zwei Jahren hatte skurrile Hintergründe, um so dauerhafter wurde seine andere Fernsehreihe „Musik aus Studio B". Hinzu kamen unzählige Bühnenauftritte, über 30 Filmrollen und noch heute ist der mittlerweile über 80-Jährige noch regelmäßig „auf Sendung".

Eine Autobiografie sind diese Memoiren weniger, denn aus dem Privatleben erfährt man im Wesentlichen nur unerlässliche Geschehnisse. Um so interessanter erzählt der witzige Dampfplauderer mit viel Zeit- und Lokalkolorit insbesondere aus der Hamburger Frühzeit des modernen Radiobetriebs, aus sechs Jahrzehnten deutscher Unterhaltungsszene und natürlich von unzähligen Erlebnissen mit berühmten Kollegen und anderen Prominenten. Das liest sich selbst für jene höchst amüsant und unterhaltsam, die kaum mehr wissen, welch starke Medienpräsenz der sympathische Engländer vor allem in den 50er und 60er Jahren hatte.

 

# Chris Howland: Yes, Sir! Aus dem Blickwinkel eines englischen Gastarbeiters (aus dem Englischen von Christoph Bausum); 316 Seiten, Klappenbroschur; Kindler Verlag, Reinbek; € 16,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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