BIRD/SHERWIN: „J. ROBERT OPPENHEIMER"

Julius Robert Oppenheimer (1904-1967) wurde 1945 als Held der Bation umjubelt, als „American Prometheus", und es ist überliefert, dass der gemeinhin als Vater der Atombombe Bezeichnete gejubelt hat an jenem 6. August 1945 nach der Vernichtung Hiroshimas. Monate später aber gestand er Präsident Harry S. Truman: „Ich habe Blut an meinen Händen."

Es war eine gewaltige Aufgabe, eine umfassende Biographie zu diesem so schillernden Genie zu schreiben, und es dauerte rund 25 Jahre bis zu ihrer Vollendung. 1979 begann der Historiker Martin J. Sherwin mit dem Werk und wurde von der riesigen Fülle an Daten und Fakten, vor allem aber von tausenden teils bis dato unbekannten Dokumenten schier erdrückt. Mit Hilfe des erfahrenen Biografen Kai Bird gelang schließlich ein so grandioser Wurf, dass „J. Robert Oppenheimer. Die Biographie" 2006 den Pulitzer-Preis erhielt.

Aufgewachsen in Manhattan als behütetes Kind gut situierter deutsch-jüdischer Einwanderer, zeigte er fürh Wunderkind-Eigenschaften, beherrschte fünf Sprachen und arbeitete in seinem Doktoratsjahr mit 22 Jahren bereits mit den führen Quantenphysikern wie Max Born und Werner Heisenberg zusammen. Schon 1929 lehrte Oppenheimer selbst an der Berkeley Universität in Kalifornien. Zugleich aber war „Oppie", wie seine Studenten den charismatischen Wissenschaftler begeistert nannten, ein in sich höchst widersprüchlicher Mensch, der sich immer wieder aufs Neue selbst erfand und allgemein als Exzentriker galt.

In seinen jungen Jahren – Hitler kam im Deutschen Reich an die Macht, Präsident Roosevelt startete den „New Deal" - sympathisierte Oppenheimer mit dem Kommunismus und er unterstützte den antifaschistischen Kampf im Spanischen Bürgerkrieg mit Spenden. Das war gleichwohl kein Hinderungsgrund, ihn im Zweiten Weltkrieg nach Los Alamos zu holen und zum Chef hunderter hochkarätiger Wissenschaftler und Techniker zu machen, die am Projekt „Manhattan", dem Bau einer Atombombe, mitwirkten. Mit seinem überragenden Blick für das Wesentliche aber auch als überragender Motivationskünstler war er der Garant dafür, dass die Bombe tatsächlich noch vorm Kriegsende einstzfähig wurde.

Oppenheimer war stolz auf sein Werk und entgegnete auf moralische Bedenken gegen die Massenvernichtungswaffe: „Was ist, wenn die Nazis sie als Erste haben?!" Um so ärgerlicher empfand er später Heiner Kipphardts Theaterstück „In Sachen J. Robert Oppenheimer" (1964), denn die darin geäußerten Zweifel und Klagen entsprachen überhaupt nicht den Tatsachen. Dagegen verschrieb er sich nach dem Krieg unter Ausnutzung seines Einflusses auch auf höchste politische Kreise einer internationalen Atomwaffenkontrolle. Und er wandte sich noch intensiver gegen den Bau der Wasserstoffbombe mit ihrer noch weit gigantischeren Vernichtungskraft.

Damit aber brachte er nicht nur viele politische Kräfte gegen sich auf, auch Kollegen wie Edward Teller, der Sicherheistfanatiker Lewis Strauss von der Atomenergiekommission oder FBI-Chef Edgar Hoover versuchten ihn nun als Landesverräter zu Fall zu bringen. Mit weitreichendem Erfolg, zumal Anfang der 50er Jahre die Kommunistenhatz unter Senator McCarthy die US-Gesellschaft vergiftete und es ja kommunistische Verbindungen Oppenheimers aus den 30er Jahren gab. Obwohl ihm nie Geheimnisverrat an die Sowjets nachgewiesen werden konnte, wie auch die vielen FBI-Dokumente belegen, hatte er von Beginn an keine Chance bei den Anhörungen, denn die waren gezielt parteiisch.

Der Schauprozess glich einer Farce, dennoch erhielt Oppenheimer die entzogene „Unbedenklichkeitsbescheinigung" für die Atomforschung nie zurück. Es hat ihn nicht vollends ruiniert, denn er blieb Direktor an der Princeton Universität, viele Freunde und Kollegen hielten weiter zu ihm und später wurde er sogar von Präsident Kennedy rehabiliert. Verwunden aber hat der geniale Meister der Quantenmechanik diese Schmach nie. Und auch nicht lange überlebt, denn bereits 1967 raffte ihn der Kehlkopfkrebs dahin.

Diese ebenso fesselnde wie brillant verfasste Biographie beschreibt jedoch nicht nur das bewegte Leben des großen Wissenschaftlers, es ist auch ein Bericht über eine hochspannende Zeit sowohl der Wissenschaften wie der Politik und hier insbesondere des Zusammenwirkens beider. Fazit: es hat gedauert, bis diese außergewöhnliche Biographie auch auf Deutsch vorliegt, doch das Warten hat sich allemal gelohnt.

 

# Kai Bird/Martin J. Sherwin: J. Robert Oppenheimer. Die Biographie (aus dem Amerikanischen von Klaus Binder und Bernd Leineweber); 672 Seiten, div. Abb.; Propyläen Verlag, Berlin; € 29,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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