SYBILLE BEDFORD: „RÜCKKEHR NACH SANARY"

Die große englische Autorin Sybille Bedford (1911-2006) kam einst als Sybille Aleid Elsa von Schoenebeck als Tochter eines verarmten preussischen Barons und einer vermögenden und sehr attraktiven Engländerin in Berlin-Charlottenburg zur Welt. Als die junge Ehefrau sich kurz nach dem Ersten Weltkrieg davonmachte, ließ sie das Mädchen bei dem gebrochenen Vater zurück.

Obwohl es mit ihm dann auf einem Schloss im Badischen lebte, waren das ärmliche Verhältnisse und statt einer normalen Schulbildung erlebte die Kleine eine seltsame Unterrichtung zum Beispiel im Weinanbau oder gotischer Altarschnitzerei. Doch schon einige Jahre später ver-starb der Vater und mit zwölf kommt Sybille zur Mutter nach Italien, wo die ebenso extravagante wie intelligente Frau mit einem sehr viel jüngeren Liebhaber ein sinnenfrohes Nomadenleben genießt.

Dieser geliebten Mutter setzte die später so erfolgreiche Schriftstellerin im Alter mit einem sehr autobiographischen Roman ein hinreißendes Denkmal. 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung liegt dieses stilvolle Stück Literatur nun in einer angemessen eleganten Übersetzung und dem sinnvollen Titel „Rückkehr nach Sanary" auch auf Deutsch vor und beschließt den verdienstvollen Reigen der Neuauflagen des zeitlos großen Werkes dieser Autorin, die einst fast ohne schulische Bildung aufwuchs, aber schon früh neben Deutsch auch Englisch, Italienisch und Französisch beherrschte.

Sanary-sur-Mer ist bei diesen Erinnerungen ein flirrender, bezaubernder Hintergrund, denn in diesem Fischerdorf an der Cote d'Azur traf sich in den 20er und 30er Jahren eine illustre Gesellschaft von Künstlern. Allen voran Literaten wie Aldous Huxley – den die Autorin als einzigen mit dem Echtnamen benennt – und später etliche Emigrierte aus Nazi-Deutschland. In dieser gediegenen Idylle von Künstleravantgarde, Bootspartien, eleganter Kleidung und rauschhaften Parties erlebt die Heranwachsende einerseits eine höchst ungewöhnliche Reifung, die ihre ganzes weiteres Leben prägen sollte, sie ist andererseits aber auch scharfsinnige und zugleich diskrete Beobachterin der persönlichen Kapriolen, insbesondere jener der Mutter, die zunehmend der Morphiumsucht verfällt.

Doch auch das abenteuerliche Kosmopolitentum, das die angehende Schriftstellerin immer wieder auch nach England treibt, schlägt sich in den geistvollen, leichtfüßigen und doch nie oberflächlichen Beschreibungen nieder. Mit wenigen Sätzen gelingen ihr virtuose Charakterzeichnungen, aber auch eindringliche sinnliche Bilder ihres Lebensumfelds voller Zeit- und Lokalkolorit. In ihrer dezent selbstironischen Art des Erzählens schafft sie stets eine Athmosphäre des Vornehmen, des Esprit, ohne dabei abgehoben zu wirken. Fazit: Sybille Bedfords Werke zu lesen, ist stets ein literarischer Hochgenuss, und dieser autobiographische Roman erzählt gewissermaßen, wie es dazu kam.

 

# Sybille Bedford: Rückkehr nach Sanary (aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier); 478 Seiten, SchirmerGraf Verlag, München; € 22,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: NF 223 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de