HAIDINGER/STEINBACH: „UNSER HITLER"

Ist es ein Klischee, wenn Deutsche meinen, die Österreicher hätten 1938 in Massen gejubelt, als ihr Landsmann Adolf Hitler in Wien einmarschierte und sie dem Deutschen Reich einverleibte? Und dass sie besonders ausgeprägte Nazis und Antisemiten waren? Der Historiker Martin Haidinger und der Jurist Günther Steinbach haben sich diesem Komplex gewidmet, aber auch untersucht, wie Hitler selbst sein Heimatland empfand, in dem ihm bis dato viel Unerfreuliches widerfahren war.

Unser Hitler – Die Österreicher und ihr Landsmann" heißt das überaus spannend zu lesende Buch der österreichischen Autoren, die zunächst einmal mit einigen Halbwahrheiten und Legenden aufräumen. In einem Kapitel zu Hitlers Familie stellen sie klar, dass dieser unter diesem Namen geboren wurde und sein Vater den Namen Schicklgruber lange zuvor dahingehend geändert hatte. Andere Fakten aus der Familie sind weniger bekannt gewesen und teils erstaunlich bunt.

Die Zwiespältigkeit in Hitlers Denken wie in dem Verhältnis zu Österreich wird offenkundig in dem Hass auf die Geburtsheimat, die dem jungen psycholabilen Mann unvergessliche Niederlagen als Möchtegern-Kunstmaler beigebracht hatte, dem dessen Rausch über „die größte Stunde meines Lebens" beim Einmarsch in Wien entgegensteht. Dabei rannten die großdeutschen Nazis quasi offene Türen ein, denn der Austrofaschismus hatte längst das Feld bereitet und die Anschlusssehnsucht war so immens, dass sich die Österreicher gewissermaßen in die eigene Selbstauflösung - „Heim ins Reich", aber nur noch als Ostmark – jubelten.

Aber auch für die Annahme, dass Hitlers Landsleute die fanatischeren Unterstützer von Nazi-Regime und Judenverfolgung waren, werden manche Beweise erbracht. Schon im späten 19. Jahrhundert gaben sich die österreichischen Universitäten deutsch-völkisch, antisemitisch und antiklerikal und der ebenso faschistoide wie judenfeindliche Zeitgeist, der in Europa zwischen den Weltkriegen gleich in etlichen Diktaturen grassierte, war in Österreich derartig virulent, dass die dortige Judenhatz die im Deutschen Reich stattfindende bei weitem als Massenphänomen übertraf. Die Autoren räumen auch bei diesem Themenkomplex mit der Nachkriegsmär auf, die Österreicher seien Opfer der Nazis gewesen. Sie mögen nicht im Übermaß die besonders üblen Schergen Hitlers gewesen sein, doch gerade aus ihren Reihen rekrutierten sich manche finstere Berühmtheiten.

Neben vielen Fakten und gelungenen Deutungen tragen auch erstaunliche Aussagen normaler Zeitzeugen zur Klasse dieses Buches bei. Mal sind es damals junge Menschen, die den einmarschierenden Führer wie einen Popstar anhimmelten, mal sind es einfache Bürger, die ihre österreichische Sicht als großdeutsche Soldaten ohne Begeisterung schildern. Fazit: dieses Werk ist nur teilweise eine Hitler-Biografie, um so mehr aber eine aufschlussreiche Durchleuchtung dieser speziellen Beziehung zwischen Hitler und seinen Landsleuten, wie es sie so noch nicht gegeben hat. Dies und die hohe Qualität des Vorgelegten machen den Wert des Buches aus, das auch „Reichsdeutschen" als hochinteressantes Sachbuch zum Thema zu empfehlen ist.

 

# Martin Heidinger/Günther Steinbach: Unser Hitler – Die Österreicher und ihr Landsmann; 379 Seiten, div. Abb.; Ecowin Verlag, Salzburg; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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