TERRY PRATCHETT: „EINE INSEL"

Terry Pratchett ist der Meister der Scheibenwelt-Romane, seine neues Werk „Eine Insel" aber ist ganz anders. Für Jugendliche geschrieben, stellt es den 13-jährigen Mau und die gleichaltrige Daphne in den Mittelpunkt einer Parallelwelt im Großen Pelagischen Ozean. Diese Welt ähnelt durchaus der unseren und zwar etwa zur Zeit des späten 19. Jahrhunderts.

Mau, der Eingeborenenjunge, rudert soeben heim von der Jungeninsel, auf der er an der Schwelle zur Mannwerdung einen Monat auf sich allein gestellt überleben musste. Da überrascht ihn ein Tsunami und die gigantische Welle löscht die Welt aus, die Mau kannte, alle Menschen und Tiere und selbst die Spuren ihrer Kultur. Wie einst Robinson strandet er auf seiner Insel, doch statt eines Freitag taucht hier Daphne auf, einzige Überlebende des ebenfalls auf der Insel gestrandeten Seglers, der die Tochter aus dem englischen Königshaus zu ihrem verstorbenen Vater, dem König, heimbringen sollte.

Mit diesen beiden jungen Menschen aus zwei extrem unterschiedlichen Kulturen stoßen einander völlig fremde Welten aufeinander im nun einsetzenden Kampf ums Überleben. Weitere Flüchtlinge von anderen Inseln kommen zu Maus 'Nation' und auf faszinierende Weise ergänzen sich die Fähigkeiten aus den verschiedenen Kulturen, ihre Fertigkeiten und Kenntnisse von den Insulanervorfahren wie auch das vergleichsweise moderne Gerät, das sie nach und nach aus dem Schiffswrack bergen.

Es entwickeln sich herrliche Szenen voller Weisheit und subtilem Humor, wenn der „Wilde" und das verhätschelte, viktorianisch verklemmt erzogene Königskind sich einander nähern. Doch bei allem philosophischen Tiefgang erstarrt die Geschichte nie in schöner Langeweile, denn alles bleibt in Bewegung und nicht nur der lebensgefährliche Kampf gegen räuberische „Hosenmenschen" - Meuterer von Daphnes Segler – sorgt für spannende Abenteuer. Wobei die immer größer werdende Faszination dieses Romans vor allem darin liegt, wie aus der zerstörten Welt allmählich eine neue Gesellschaft erwächst.

Ein ungewöhnliches und in seiner englischen Heimat bereits hochgelobtes Werk des Erfolgsautors, das trotz eindringlicher Passagen über Religion, Kultur und dem Sinn der Dinge dank all der Originalität der Ideen und des Witzes stets auf leichtfüßige Weise so im Fluss bleibt, dass man es nach dem eher gemächlichen Einstieg bald nicht mehr aus der Hand legen möchte. Diese großartige Geschichte der Selbsterfahrung, wenn alles Dagewesene ausgelöscht ist und man eine neue Gemeinschaft quasi aus dem Nichts aufbauen muss, wird nicht nur junge Leser ab etwa zwölf Jahre sondern auch Erwachsene regelrecht verzaubern. Fazit: ein großes Stück Jugendliteratur und das nicht nur wunderbar geschrieben sondern auch hervorragend übersetzt.

 

# Terry Pratchett: Eine Insel (aus dem Englischen von Peder Brehnkmann); 447 Seiten, ill; cbj Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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