SOFIE LAGUNA: „LICHTERLOH"

Nach Kinder- und Jugendbüchern legt die australische Autorin Sofie Laguna mit „Lichterloh" ihren ersten Roman vor. Auch hier steht ein ganz junger Mensch im Mittelpunkt, doch diese zu Beginn noch kindliche Hester erzählt eine beklemmende dunkle Geschichte aus einer Welt der Isolation.

In einem abgelegenen Haus wächst sie wie eine Gefangene ihrer Eltern auf, die Mutter eine kränkliche hartherzige Frau und der Vater ein einfacher unterwürfiger Mann. Das Unglück des Mädchen entspringt den wahnhaften religiösen Vorstellungen der Eltern, die Hester zwar reichlich füttern, ansonsten aber als Putzsklavin halten und ihr abstruse Strafen verabreichen. Niemand erklärt ihr die Welt, einzige Wissensgrundlage ist eine illustrierte Kinderbibel und ihre Freunde in der Eingeschlossenheit sind Küchengegenstände, mit denen sie kommuniziert.

Ihre naive Beschränktheit geht so weit, dass sie mangels anderer Namen den Vater für sich mit „Stiefel" benennt und die Mutter mit „Sack". Doch wer in einem Horrorfilm lebt, weiß das nicht, wenn er nichts anderes kennt. Deshalb verbieten ihr die gestörten Eltern ja auch „Draußen". Als Hester in unwissender Unschuld dennoch den ersten Schritt hinaus macht, gibt es kein Zurück mehr in den alten Zustand der Unwissenheit.

Die nächsten Entwicklungsschritte des gequälten Mädchen führen in der Schule zu Verwirrung und einem harschen Erlebnis von so etwas wie Freundschaft. Bis die Mutter den Schulbesuch eifersüchtig unterbindet. Doch Hester erlebt auch noch Missbrauch, den sie mit erschütternd unschuldigen Kinderworten umschreibt, und sie erlebt eine Art Erweckung, als sie wegen gewalttätiger Ausbrüche zeitweise in die Psychiatrie gesteckt wird. Als junge Erwachsene wird ihr Abschied aus der Knechtschaft ihrer Eltern dann zu einem wahrhaft atemberaubenden Delirium archaischer Rache, wie es in dieser Art einzig in der Literatur sein dürfte.

Wenn dieser von Zeile zu Zeile fesselnde Roman auch eine dunkle Geschichte erzählt, so ist da auch das Licht von Freundschaft und Liebe, das durchscheint. Und es ist diese ungewöhnliche Prosa in fast kindlich naiver und zugleich entlarvend klarsichtiger Sprache mit ihren verstörenden Bildern, die den aufgezwungenen Autismus Hesters als so unentrinnbar spüren lassen. Man entkommt dieser radikal klaren Gedankenwelt nicht und ist zum Schluss auf demütige Weise begeistert.

 

# Sofie Laguna: Lichterloh (aus dem Englischen von Sabine Roth); 175 Seiten, Fahrenheit Verlag, München; 16,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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