JUTTA OLTMANNS: „DIE FRIESENROSE"

Nach Ostfriesland in der Franzosenzeit führt Jutta Oltmanns neuer Roman „Die Friesenrose". Man schreibt das Jahr 1810 und die Menschen beugen sich nur widerwillig der Fremdherrschaft und das von Napoleon als Teil der Kontinentalsperre gegen das feindliche England verhängte Handelsverbot unterlaufen die findigen Ostfriesen mit immer neuen Tricks. Vor allem aber wollen und können die sonst so genügsamen Einheimischen nicht auf ihren geliebten Tee verzichten.

Doch die Besatzer greifen mit Härte durch und das muss auch Inken Hinderks erfahren, als ihr Vater, ein erfahrener Walfänger, zu Unrecht inhaftiert wird und sie selbst vom heimatlichen Borkum fliehen muss. In Emden begegnet sie dann dem Mann ihres Lebens, dem Schmugglerkönig Cirk Hoogestraat. Wie auch im weiteren Verlauf wartet die Autorin schon hier mit ungewohnten Regieeinfällen auf, denn – die als roter Faden dienende Liebesgeschichte beginnt damit, dass die junge mutige Frau dem Blockadebrecher das Leben rettet.

Quasi als Gegenleistung bringt er sie zu der bärbeißigen Geldverleiherin Tjalda, die Inken vorübergehend Unterschlupf gewährt. Dann jedoch muss sich Inken für längere Zeit im Moorland verstecken und in dieser armen Gegend schlägt spätestens 1811 die Franzosendrangsal besonders unbarmherzig zu. Immer mehr junge Männer werden für Napoleons Feldzüge zwangsrekrutiert und ihre Familien erleiden größte Not ohne ihre Ernährer.

Als Inken sich endlich wieder nach Emden wagt, beginnt ein erstaunlicher Aufstieg, denn mit Tjalda sowie der Chinesin Sumi gründet sie ein Teehaus, wobei die einst in einer Teekiste aus China geflüchtete Exotin die Teemischung „Friesengold" kreiert. Währenddessen musste sich der in England bei einem Freund untergetauchte Cirk dessen Schwester Lucia erwehren, die sich jedoch als intrigantes Luder erweist. Als Inken und Cirk endlich erstes Glück miteinander genießen können, platzt die Engländerin hinein und zerstört die Verbindung.

Bis zum dramatischen Finale breitet die Autorin noch viele gründlich recherchierte historische Fakten aus und es gelingt ihr ein ums andere Mal, neue Geschichten vor realem Hintergrund in die eine große Geschichte einzuflechten. Das lebt dann von einprägsamen Charakteren und überzeugt mit viel Lokal- und Zeitkolorit, aber auch der ungekünstelten Sprache. Zugleich lernt man en passant, wie der Tee seinen Siegeszug in Ostfriesland antrat und wie die chinesische Frühlingsrose – bei uns als Pfingstrose bekannt – zum Symbol feinen ostfriesischen Teegenusses wurde.

Und wenn sich der Uneingeweihte nach diesem durchaus filmreifen Epos, zu dem die hier heimische Autorin durch die echte Lebensgeschichte von Johann Bünting, dem Gründer des großen Teehandelshauses in Leer, angeregt wurde, bei einer nach ostfriesischem Brauch aufgebrühten Tasse Tee immer noch fragt, wieso diese Menschen dafür sogar Freiheit und Leben riskierten, der erfährt eine Devise, die schon die Chinesen kannten: „Tee ist nicht nur ein Getränk, Tee ist eine Lebenseinstellung." Fazit: ein Roman, den nicht nur Teeliebhaber mit viel Muße genießen werden.

 

# Jutta Oltmanns: Die Friesenrose; 492 Seiten; Fredebold und Fischer, Köln; € 16,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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