DIABLO CODY: „NACKT"

Sie stammt aus einer gut-katholischen Familie und machte dann eine wahrhaft ungewöhnlicdhe Karriere, die ihr mit gerade 29 Jahren bereits den Oscar für ihr Drehbuch zu dem Film „Juno" einbrachte. Dem vorausgegangen war allerdings ein Vorspann, der es in sich hatte, denn sie zog aus, um sich auszuziehen. Lieber wollte sie nackt tanzen als angezogen in einem langweiligen Büro versauern und deshalb begann sie, als Stripperin in Sexschuppen zu arbeiten.

Nein, das Buch, das jetzt unter dem Titel „Nackt" vorliegt, ist kein Roman, hier schreibt Diablo Cody, 1978 in Chicago geboren, höchstpersönlich ihr Jahr mit textilarmen Auftritten. So, wie sie für „Juno" einzigartig rasante, authentische und urkomische Dialoge schrieb, so geht sie auch hier zur Sache und schildert ihre Jobs in Clubs recht verschiedener Provenienz in der Großstadt Minneapolis.

Das beginnt mit dem möglichst lasziven Tanz an der Stange, von dem sie zum Lapdance wechselt und sich schließlich zum intimeren und zuweilen nicht ganz ungefährlichen Beddance steigert. Mit betont rauer Herzlichkeit, viel drastischem Humor und geradezu narzisstischer Selbstironie analysiert sie ihr eigenes Schaffen aber auch das ihrer Kolleginnen. Schonungslos legt sie offen, was für eine unerotische und nur auf Geldgewinn fixierte Branche das ist. Rücksichtslos geht es zu, die Kunden mit ihren teils bizarren Vorlieben sind nur zum Abkassieren da und dazu bieten sich die Frauen als Ware mit bescheidenem Marktwert an.

Die Autorin verherrlicht wahrlich nichts und wer die Schilderungen erotisch findet, muss schon so testosterongesteuert sein wie die 'Herren', die sich mit dieser gymnastisch anheizenden Fleischbeschau befriedigen und schröpfen lassen. Wobei Cody glaubhaft macht, dass Sex im eigentlichen Sinn des Wortes Geschlechtsverkehr die absolute und seitens der Clubs unbedingt verbotene Ausnahme ist. Und dennoch reichte auch bei der hartgesottenen jungen Frau irgendwann die Kaltschnäuzigkeit nicht mehr aus zum Weitermachen. Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass sie gerade bei ihrem allmählichen Rückzug aus den unmittelbaren Kundenkontakten über Peepshows und Telefonsex die schmuddeligsten Untiefen männlichen Sexualverhaltens kennenlernte.

Bleibt die Frage nach ihrer Motivation für diese Nacktzeit – man muss es ihr schlicht abnhemen, dass diese von ihr als „ausuferndes Heldengedicht" bezeichnete Rückschau auf ihr Leben als Stripperin einfach eine etwas ungewöhnliche Flucht vor der Zukunftslangeweile beschreibt. Das aber tut sie mit rabiat-derber Sprache, sehr direkt und sehr modern, natürlich kaum genießbar für Feingeister, jedoch bis zuletzt erfrischend vital und interessant.

 

# Diablo Cody: Nackt. Ein Enthüllungsroman (aus dem Amerikanischen von Teja Schwaner); 273 Seiten, Broschur; Gustav Kiepenheuer Verlag, Berlin; € 16,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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