CHRISTIAN MOERK: „DARLING JIM"

Darling Jim", das ist ein Gruselroman in bester Tradition alter Schauermärchen und doch so modern und packend, als hätte ihn ein gut aufgelegter Stephen King verfasst. Tatsächlich spielt dieser raffinierte Krimi, der eben weit mehr als das ist, im heutigen Irland, sein Autor Christian Moerk jedoch ist ein in den USA lebender Däne.

Alles beginnt mit dem Fund dreier Frauen in einem alten Haus, die grausam ermordet wurden. Allem Anschein nach hat Moira Walsh ihre beiden Nichten umgebracht. Doch wer tötete Moira danach und wo blieb die dritte Nichte? Malahide, dieses typische irische Dorf, ist zwar geschockt, will mit den Morden aber einfach nichts zu tun haben. Erst der Postbote Niall bringt Bewegung in die verstockte Ruhe, als er unter unzustellbaren Sendungen das Tagebuch von Fiona Walsh findet, einer der toten Nichten.

Doch es sind mehrere Geschichten, die erzählt werden, denn nicht nur Fiona sondern auch ihre Schwester Roisin hat in der kurzen Zeit angesichts ihren unabwendbaren baldigen Todes ein Tagebuch geschrieben. Und schon ist der Leser unrettbar hineingezogen in eine dichte, düster funkelnde Athmosphäre, in der Jim Quick, jener mysteriöse Darling Jim, eine unheilvolle diabolische Rolle spielt. Er zieht über die Lande als „seanchai", einer jener traditionellen irischen Geschichtenerzähler, die immer dann am glänzendsten sind, wenn ihre Geschichten dunkel und grausam werden.

Und dieser Jim sieht dazu noch so verteufelt gut aus, wenn er auf seinem alten roten Motorrad erscheint und dann jene tragische Mär von Prinz Euan ausbreitet, der seinen Zwillingsbruder tötete und von da an als Wolf weiterleben musste. Das erzählt er in den Pubs und er tut es so unverschämt hinreißend und verführerisch, dass ihm die Frauen reihenweise verfallen. Da fallen dann selbst Verwandte wie die Walsh-Damen ihm und heftiger Eifersucht aufeinander anheim, andererseits erfährt man von anderen ermordeten jungen Frauen und trotz vieler Verdachtsmomente kann Darling Jim sein charmant dämonisches Treiben unbehelligt fortsetzen. Dennoch ist er plötzlich offenbar verschwunden.

Bis mit Nialls Aufdeckung der letzten Wahrheiten eine weitere sehr eigene Stimme hinzukommt und sich das faszinierende Puzzle allmählich zu einem grandiosen Gemälde zusammenfügt. Der Leser aber ist dem Autor, der sich längst selbst zum wortgewaltigen und zugleich listigen „seanchai" aufgeschwungen hat, unentrinnbar verfallen. Fazit: hier stimmt die Einordnung als Psychothriller wie selten sonst, denn dieser ebenso ungewöhnlich wie virtuos komponierte Roman schlägt einen bis zuletzt in den Bann. Und dann wünscht man sich das Ganze als großes Filmepos...

 

# Christian Moerk: Darling Jim (aus dem Englischen von Violeta Topalova); 351 Seiten; Piper Verlag, München; 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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