RALF ROTHMANN: „FEUER BRENNT NICHT"

Der jüngste Roman von Ralf Rothmann heißt „Feuer brennt nicht" und im Mittelpunkt steht das Selbstporträt eines mittelmäßig erfolgreichen Schriftstellers als alternder Mann. Da dieser Wolf altersmäßig, mit dem langjährigen Wohnort Berlin und manch weiteren Details ausgesprochen nah am Autor selbst ist, darf auf viel Autobiografisches geschlossen werden, wobei er recht schonungslos mit dem egomanischen Alter Ego umgeht.

Über 20 Jahre dehnt sich der Roman, der mit wenig Handlung auskommt und dennoch bis zuletzt fesselt. Anfangs lernt der schüchterne Jung-Autor bei einer Lesung im Sauerland die eben 20-jährige Buchhändlerin Alina kennen. Nach einer heimlichen Affäre in der Provinz folgt sie ihm nach Berlin und sie werden ein Paar. Sie erträgt seine ständig wechselnden Launen und lernt mit seiner Bindungsunfähigkeit umzugehen. Ihn zu lieben, das hält sie für ihr wahres, ja, sogar für ihr einzig wirkliches Talent.

Dafür erträgt sie nicht nur seine Seitensprünge und gelegentlichen Bordellbesuche, die ganz zu seiner überaus intensiv vom Sexualtrieb beherrschten Lebensweise passen: „Erst ein Fehltritt macht den Tango vollkommen." Schwerer fällt ihr da der Verzicht auf ein gemeinsames Kind – das zu seiner Ichbezogenheit aber auch nur schlecht passen würde. Was in der Schilderung quasi aus der Ich-Perspektive Wolfs aallerdings auch fast beiläufig bleibt, wie überhaupt ein grundlegender Aspekt immer wieder durchscheint: das Wahrhaftige und das nur Vorgegebene zwischen den Partnern, wobei Letzteres bei weitem überwiegt.

Bedrückt von dem dennoch natürlichen Zusammenwachsen in all den Jahren ,flieht Wolf unausgesprochen in einen Traum „von jemandem, mit dem er schweigen kann". Und findet ihn in Charlotte, einer früheren kurzen Liebschaft. Als sie einander wiederbegegnen, verstehen sich der triebhafte Schriftsteller und die sexhungrige Psychologie-Professorin Anfang 50 auf einer geradezu sachlich unemotionalen Ebene. Und Wolf ist selig, endlich wieder ein Geheimnis zu haben, aber auch, weil er mit der ebenso attraktiven wie freizügigen Charlotte auch manch Ausgefallenes treiben kann, das er Alina niemals zumuten würde.

Als Alina nach einiger Zeit durch eine eher seltsame Fügung von dem recht regelmäßig genossenen Verhältnis erfährt, überrascht sie Wolf – sie toleriert es. Es beflügele schließlich ihrer beider Liebesleben, das träge geworden war. Dennoch findet der Roman ein stilles, tragisches Ende, über dem Alinas Erkenntnis schwebt: „Wehe dem, der nicht im Schutz der Liebe altert."

Gleichgültig, wie autobiografisch das Erzählte tatsächlich sein mag, Ralf Rothmann erweist sich einmal mehr als einer der besten zeitgenössischen Stilisten deutscher Sprache. Dabei gelingen ihm auch die zahlreichen expliziten erotischen Szenen meisterhaft und er überzeugt mit einer dichten Atmosphäre. „Feuer brennt nicht" spricht von vielen tieferen Wahrheiten und Erkenntnissen des Zwischenmenschlichen und dies mit geradezu selbstentblößender Intimität.

Und bei all der wortgewaltigen Nabelschau gilt es, einen ganz anderen Hauptdarsteller ebenfalls zu würdigen – Rothmanns langjährige Wahlheimat Berlin. Ihr widmet er die Rolle einer hinreißenden Kulisse bis hinein in ihren hintersten Osten in Friedrichshagen. Fazit: dieser Roman ist das großartige Porträt eines alternden eigensüchtigen Künstlers, glasklar und gnadenlos entlarvend.

 

# Ralf Rothmann: Feuer brennt nicht; 304 Seiten; Suhrkamp Verlag, Frankfurt; € 19,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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