SIMON BECKETT: „LEICHENBLÄSSE"

Nach den großen Erfolgen mit „Die Chemie des Todes" und „Kalte Asche" legt Simon Beckett nun den dritten Fall mit dem Londoner Forensiker David Hunter unter dem Titel „Leichenblässe" vor. Obwohl es eigentlich noch keinen neuen Einsatz für den Ich-Erzähler geben sollte, denn der hat sich noch längst nicht von den beinahe tödlichen Verletzungen erholt, die ihm beim letzten Mal zugefügt wurden.

Deshalb reist er gewissermaßen zur Erholung in die USA, wo sein alter Freund und Mentor Tom Lieberman in Tennessee die „Body Farm" betreibt, eine Forschungseinrichtung für forensische Anthropologie. Doch dann wird Liebermann als Experte zu einem besonders scheußlichen aber auch rätselhaften Mordfall gerufen. Als er den gar nicht begeisterten Hunter wegen dessen spezieller Kenntnisse hinzuzieht, kommt es zu unterschwelligen Reibereien zwischen dem Engländer und den amerikanischen Mitarbeitern der Body Farm.

Mag die Geschichte auch recht langsam in Fahrt kommen, so übt sie jedoch schon bald eine unwiderstehliche Sogwirkung aus, die mit immer neuen Wendungen bis zum hochdramatsichen Finale nicht nachlässt. Dabei geht es zunächst lediglich um einen besonders sadistischen Mord, bei dem die Leiche stärker zersetzt ist, als nach den Umständen eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Und es finden sich Spuren der seltenen Tigerlibelle an dem entsetzlich gemarterten Körper. Aber – diese Libellen sind keine Aasfresser!

Ohnehin bleibt es nicht bei dem einen Mordopfer und der Verdacht eines bestialischen Serienkillers drängt sich auf. Bald gibt es erste Beweise und eine heiße Spur, doch immer wieder stellt sich heraus, dass nichts so ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Es muss ein Besessener sein, aber besessen von was?! Und wie hält er den infernalischen Gestank aus, auf den die Ermittler bei den Tatorten stoßen? Ist hier ein wahnsinniger Irrer am Werk oder verfolgt der Unbekannte gar einen teuflischen Plan?

Da heizt es die Spannung und den Schauder beim Lesen zusätzlich an, dass etlichen Kapiteln ein kursiv gedruckter tExt vorausgeht, in dem eine Art Zwiegespräch entsteht mit den Gedanken des Mörders. Mehr aber wird hier nicht verraten von diesem erneut meisterhaft ausgeklügelten Thriller.

Dem man allerdings unbedingt eine Warnung voranstellen muss: dieser Roman ist nichts für schwache Nerven und empfindliche Mägen, denn Beckett beschreibt die ekelerregenden Begleitumstände der forensischen Arbeit mit den reichlich angehäuften und oft schon stark verwesten Leichen mit wissenschaftlicher Genauigkeit. Fazit: ein ebenso intelligenter wie beklemmender Krimi, der realistischer ist, als manch einer wahrhaben möchte.

 

# Simon Beckett: Leichenblässe (aus dem Englischen von Andree Hesse); 414 Seiten; Wunderlich Verlag, Reinbek; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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