KLAUS HILLENBRAND: „NICHT MIT UNS"

Eine fast unglaubliche Geschichte vom Überleben erzählt der Journalist Klaus Hillenbrand in seinem Tatsachenbericht mit dem trotzigen Titel „Nicht mit uns". Mit diesem Vorsatz haben es Leonie und Walter Frankenstein tatsächlich geschafft, als Illegale in Berlin Holocaust und Bombenkrieg zu überstehen und das, obwohl sie sogar zwei Kleinkinder zu versorgen und zu beschützen hatten.

Drei Jahre lang hat der Autor das mittlerweile betagte Ehepaar immer wieder an ihrem langjährigen Wohnort in Stockholm besucht und ihre bewegte Geschichte akribisch aufgezeichnet. Die begann 1941, als sich die 20-jährige Leonie Rosner und der 17-jährige Maurer im Auerbachschen Waisenhaus, einer jüdischen Einrichtung, in der Walter Frankenstein als Halbwaise seit einigen Jahre lebte, begegneten. Sie verlieben sich sofort heftig ineinander und heiraten 1942. Im folgenden Jahr wird erst Sohn Peter-Uri geboren, dann droht auch ihnen die Deportation in die Vernichtungslager.

Hier nun kommt ihr „Nicht mit uns!" und es beginnt eine schier endlos erscheinende Zeit täglicher Gefahren für die junge Familie, zu der 1944 noch ein zweites Kind hinzukommt. Überall drohen Verrat und Verfolgung und auch die Menschen, die ihnen verbotenerweise mit Nahrung und Unterkunft helfen, riskieren Schlimmstes. Den Judenstern haben die Beiden längts abgerissen, doch Walter droht dennoch gleich doppelte Gefahr: für Kontrollen der Gestapo hätte er keine gültigen Papiere und den Feldgendarmen wäre er als gesunder wehrfähiger Mann auch sofort eine sichere Beute gewesen. Dennoch schafft die kleine Familie gemeinsam das fast Unmögliche, nicht zuletzt dank etlicher nichtjüdischer Unterstützer, und so zählen die vier Franksteins zu den rund 1700 Juden, die in Berlin illegal überlebten.

Doch auch die Auswanderung nach Palästina, die Leonie schon vor dem Kriegsausbruch nur wegen ihrer Mutter unterlassen hatte, wird zur abenteuerlichen Odyssee, bei der Walter sogar für fast zwei Jahre in britischer Internierung auf Zypern landet. Aber selbst, als sie wiedervereinigt 1948 die Geburt Israels inklusive Unabhängigkeitskrieg erleben, stehen ihnen noch viele Entbehrungen bevor. Israel wird zwar zur Heimat für sie, doch die Strapazen ruinieren Walters Gesundheit so sehr, dass sie das Land 1956 verlassen.

Ein Freund aus der Zeit im Auerbachschen Waisenhaus verhilft den Frankensteins zu einer besseren Zukunft in Schweden und sie erhalten sogar dessen Staatsangehörigkeit. Eine wirkliche Heimat wird ihnen der Norden jedoch nie, denn, wie Autor Hillenbrand ihre Berichte einstuft, sie sind „jüdische Deutsche im Exil" geblieben. Ihre alte, einst so gefährliche Heimat Berlin aber haben sie erst später wieder besucht.

Diese wahre Geschichte fesselt ungemein, obwohl die vielen genau recherchierten Daten und Fakten den Lesefluss zuweilen etwas bremsen. Fazit: ein wichtiges Buch der Erinnerung, das berührt und zugleich einen autentischen Einblick in die unheilvolle Entwicklung der Verhältnisse für die jüdische Bevölkerung in Berlin gibt.

# Klaus Hillenbrand: Nicht mit uns. Das Leben von Leonie und Walter Frankenstein; 252 Seiten, div. Abb.; Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Frankfurt; € 19,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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