PAUL AUSTER: „MANN IM DUNKEL"

Paul Auster ist der Meister des Spiels mit Fiktion und Realem innerhalb einer Geschichte und sein neuer Roman „Mann im Dunkel" zieht gleich mehrere Ebenen auf. Im Mittelpunkt steht dabei der 72-jährige Literaturkiritker Brill, der sich Selbsterfundenes erzählt, um die traurigen Erinnerungen an den Krebstod der Ehefrau in den schlaflosen Nächten zu entgehen, aber auch den Schmerzen seit dem Unfall, die ihn an Bett und Rollstuhl fesseln.

Es geht um die ganze Wut Austers über die politischen Verhältnisse in dieser Fabel, die Brill nun um den 30-jährigen Profizauberer Owen Brick aufzieht. Dieser „Große Zavallo" wacht eines Tages in einem tiefen Loch auf, aus dem ihn ein Sergeant befreit. Nur um ihm, dem angeblichen Corporal, einen Mordauftrag zu erteilen. Der fassungslose Brick erfährt, dass er in einer fiktiven Parallelwelt steckt. In der gibt es weder den Einsturz des World Trade Centers vom 12. September 2001 noch den Irak-Krieg, stattdessen tobt seit mehreren Jahren ein Bürgerkrieg in den USA – ausgelöst durch die betrügerische Wahl im Jahr 2000 kämnpfen die Föderalisten unter Präsident George W. Bush gegen 16 Einzelstaaten, die sich losgesagt haben.

Der harmlose Brick soll das millionenfache Töten beenden, indem er den Auslöser des Übels umbringt – Brick, jenen teuflischen Erfinder dieser üblen Gegenwart. Mit dessen Tod sei auch der Krieg erledigt, sagt man ihm. Doch Brick will nicht töten und flieht. Zurück in seine reale Welt, den Auftraggebern entkommt er aber trotzdem nicht. Damit verschwindet er aus dem Roman, hat seine Schuldigkeit getan. Dafür kommen nun die Gespräche in diesem Haus der Trauer bei Brills vom Ehemann verlassener Tochter Miriam, die sich der Biographie einer in den Glauben geflüchteten Frau widmet.

Und mit Enkelin Katya, deren Freund Titus auf entsetzliche Weise ums Leben kam. Was jedoch erst gegen Ende des Buches verbalisiert wird. Wohlweislich, denn nach dem Auseinanderlaufen und Ende mehrerer Erzählstränge kehrt, wenn der Schöpfer der anderen Realwelten zur Ruhe gekommen ist, eine gewisse Harmonie ein. Die natürlich trügerisch bleibt und die Verwirrungen nur vermeintlich aufhebt. Schließlich gipfelt Austers hochaktuelle und bewusst politisch Reise durch die einander durchdringenden Parallelwelten in Miriams zentralem und mehrfach wiederholten Satz aus ihrer Biographie: „Die wunderliche Welt dreht sich weiter."

Paul Auster übertrifft sich in diesem kleinen spannenden Roman selbst an Komplexität und zugleich gelingt ihm ein ergreifendes aber auch schockierendes Stück Literatur, das mit hinreißender Sprachgewalt und allerdeutlichsten Bildern fesselt.

 

# Paul Auster: Mann im Dunkel (aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz); 220 Seiten; Rowohlt Verlag, Reinbek; € 17,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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