GRAYDON CARTER (Hrsg.): „THE VANITY FAIR PORTRAITS"

Das US-Magazine „Vanity Fair" wurde zweimal gegründet und setzte beide Male Maßstäbe als Glamourblatt auf hohem intellektuellen und künstlerischen Niveau. In seiner ersten Epoche von 1913 bis 1936 war es das Jazz-Age-Magazin schlechthin, doch auch nach der Wiederbelebung von 1983 setzte es erneut den Weltmaßstab für qualitativen Gesellschaftsjournalismus.

Wenn Verleger Graydon Carter nun das opulente Fotobuch „The Vanity Fair Portraits. Ein Jahrhundert der Ikonen" herausgibt, so ist dieser Prachtband quasi ein Jubiläumskompendium zu 95 respektive 25 Jahren „Vanity Fair". Mit einer faszinierenden Fülle meisterhafter Porträts belegt das Werk, wie die Herausgeber von Beginn an neben hochklassigen Reportagen und Essays von Autoren wie Gertrude Stein, Aldous Huxley oder dem umstrittenen D. H. Lawrence („Lady Chatterley's Lover"!) auf stilprägende Fotografen setzten.

Ikonen wie die berühmten Porträts von Picasso, Dali, Marlene Dietrich oder Josefine Baker machten Fotografen wie Man Ray, Edward Steichen oder Cecil Beaton seinerzeit zu Legenden der professionellen Porträtfotografie. Was damals als innovativ, mutig und modern von einem Herausgeber wie Frank Crowninshield noch ausdrücklich gefordert und gefördert wurde, erfuhr ab 1983 eine geradezu verschwenderische Blüte durch Kultfotografen wie Helmut Newton, Herb Ritts und allen weit voran die geniale Annie Leibovits, die so manchen neuen Standard setzte – man denke nur an jenes revolutionäres Aktofot der hochschwangeren Demi Moore von 1991.

Von Leibovits stammt jedoch auch das ebenso meisterhafte wie furchterregende Porträt von George W. Bushs „War Council" (2001), das an sinistrer Bedrohlichkeit nur noch von den Charakterstudien zu Göring, Goebbels und Leni Riefestahl von 1931/33 überboten wird. „Vanity Fair" - zu deutsch „Jahrmarkt der Eitelkeiten" - lebt von dem dauerhaft geschürten Feuerwerk aus Prominenz, Talent und Flamour und wer trotzdem nie in diesem Magazin erscheint, dem mangelt es vermutlich mindestens an einer dieser Ingredienzen. Fazit: ein grandioses Kompendium, das zugleich eine Geschichte der Porträtfotografie und ein Stück Kulturgeschichte der letzten 95 Jahre darstellt.

 

# Graydon Carter (Hrsg.): The Vanity Fair Portraits. Ein Jahrhundert der Ikonen. Fotografien von 1913 – 2008 (engl. Original mit deutscher Textbeilage); 384 Seiten, über 300 Farb- und Duotone-Abb., Großformat; Schirmer/Mosel Verlag, München; € 58

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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