LINCOLN CHILD: „WÄCHTER DER TIEFE"

Als der Marinearzt Peter Crane zur Ölbohrinsel „Storm King" im Atlantik abkommandiert wird, weil sich dort unerklärliche Krankheitsfälle häufen, muss er erkennen, dass die Bohrinsel nur zur Tarnung der gigantischen Forschungsstation „Deep Storm" in gut 3000 Metern Tiefe dient. Vom US-Militär auf extreme Geheimhaltung eingeschworen, erfährt Crane vom wissenschaftlichen Leiter Howard Asher, dass man offenbar das versunkene Atlantis gefunden habe und diesen sensationellen Fund mit größtem technischen Aufwand ans Tageslicht bringen wolle.

So recht abenteuerlich beginnt Lincoln Childs neuer Thriller „Wächter der Tiefe", der in eine abgeschottete Welt führt. Hier arbeiten zwar hunderte von Wissenschaftlern und Technikern, das Sagen haben jedoch der eisige Admiral Spartan als wahrer Chef der Anlage und Commander Korolis, der mit seinem Fanatismus für ein Klima aus militärischer Intoleranz und Geheimhaltung um jeden Preis sorgt. Das behindert auch Crane und seine Kollegen bei der Untersuchung der so völlig unterschiedlichen Krankheitsfälle beim Personal, das von heftigem Unwohlsein bis zu Amokläufen unter Wahnvorstellungen reicht, die in mitreißenden Monologen nachspürbar gemacht werden.

Doch trotz allen Machtgehabes gelingt Crane der Zugang zu den besonders abgeschotteten unteren Decks mit der Grabungstechnik und er lernt die „Marker" kennen, sogenannte Sentinels aus fremdartigem Material und mit seltsamen physikalischen Eigenschaften. Spätestens jetzt wird deutlich, dass es hier nicht um das sagenumwobene Atlantis gehen kann. Außerdem finden die Wissenschaftler heraus, dass die ersten gefundenen Materialproben nicht viele tausend Jahre sondern erst etwa 600 Jahre alt sind. Während Crane allmählich unerklärliche

gleichartige medizinische Anomalien bei den Kranken herausfindet, die der Natur widersprechen, geschehen ungewöhnliche Unfälle, die kein Zufall sein können.

Wie konnte ein überaus gefährlicher Riss in der schützenden Außenhülle der Forschungsstation entstehen und war es wirklich nur ein technisches Versagen, dass eine der bemannten Tauchkugeln, mit denen die unbekannte Fundmasse unterm Meeresboden aufgebohrt werden soll, zu Schrott minimiert wurde? Intrigen fordern erste Opfer und zu der allgemeinen Athmosphäre von Anspannung, Misstrauen und Klaustrophobie gesellen sich erste Gewaltakte. Crane und die Radiologin Hui Ping werden zu Gejagten, je mehr sie die ungeheuerliche Bedrohung erkennen und Stationsleiter Asher wird sogar umgebracht, gerade als es ihm gelungen ist, die Impulse der Marker zu entschlüsseln.

Das Alles rast mit Hochspannung auf ein dramatisch zugespitztes Finale zu und eröffnet den Blick auf eine sich anbahnenden Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Mehr sei von dem packenden Geschehen nicht verraten, das im Übrigen absolut filmreif dargestellt ist und trotz etlicher wissenschaftlicher Ausschmückungen ein atemberaubendes Tempo vorlegt. Mögen auch die Charaktere ein wenig holzschnittartig gezeichnet sein, so entschädigt die vorwärtstreibende schnörkellose Sprache dafür allemal. Vor allem aber – und das hebt diesen Roman auf eine hohe Stufe als ebenso actiongeladenen wie anspruchsvollen Thriller – überzeugt Lincoln Child mit der intelligenten Auflösung des Projekts „Deep Storm". Und die lässt durchaus frösteln.

 

# Lincoln Child: Wächter der Tiefe (aus dem Amerikanischen von Axel Merz); 446 Seiten; Wunderlich Verlag, Reinbek; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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