RODDY DOYLE: „PAULA SPENCER"

Paula Spencer hat überlebt, ihr ständig gewalttätiger Ehemann Charlo ist tot, die beiden ältesten Kinder aus dem Haus und mit 47 sieht sie nicht nur noch unerwartet passabel aus – sie hat sogar den Alkohol hinter sich gelassen! Nach dem, was Roddy Doyle vor gut zehn Jahren in seinem beklemmenden Roman „Die Frau, die gegen Türen rannte" von ihr hat erzählen lassen, konnte man das kaum erwarten.

Nun legt der irische Erolfgsautor eine Fortsetzung vor und nennt sie einfach „Paula Spencer". Und wieder erzählt die vom Schicksal gebeutelte Frau selbst von ihrem Kampf, ihr Unterschichtleben zu bewältigen. Doch es gibt einen gewichtigen Unterschied zu all der Passivität, der alkoholumnebelten Duldsamkeit gegen Missbrauchtwerden und Erniedrigung. Paula jobbt als Putzfrau dort, wo im wohlhabend gewordenen Irland sonst nur die Migrantenfrauen arbeiten, dennoch ist es ein bedeutsamer Schritt auf dem Weg zu einem normalen Leben.

Vor allem aber – Paula ist seit vier Monaten und fünf Tagen trocken. Sie weiß, dass sie keine treusorgende Mutter war, weil sie ihr Elend ständig mit Alkohol betäubt hat. Und sie hat Schuldgefühle, weil Tochter Leanne mit 22 als Bettnässerin und Alkoholikerin noch bei ihr haust. Um so erstaunlicher scheint, dass der 16-jährige Jack suchtfrei geblieben ist und nun immer wieder misstrauisch an Mutters Atem schnuppert.

Stück für Stück in winzigen Schritten gewinnt Paula erstmals die Kontrolle über ihr Leben, entwickelt mit kleinen Siegen allmählich so etwas wie Selbstvertrauen. Zugleich ist sie dankbar für jedes noch so kleine Zeichen von Zuneigung und Anerkennung, gerade auch, als sie sich noch sehr zögerlich auf die Avancen des Rentners Joe einlässt, dem die Ehefrau mit einer anderen Frau davongelaufen ist.

Paulas innere Monologe wie auch die Gespräche mit den Kindern und den Geschwistern eröffnen nicht nur ihre traurige Vergangenheit sondern auch, dass sie noch Hoffnungen hegt und sogar kleine Träume. Und Roddy Doyle fasziniert bei dieser präzisen und nie rührseligen Beschreibung, wie Paula ihr Leben selbst in den Griff bekommt, mit diesem durchgehend überzeugenden weiblichen Blickwinkel. Fazit: ein zutiefst menschlicher Roman, der auf stille Weise berührt.

 

# Roddy Doyle: Paula Spencer (aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann); 302 Seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 21,50

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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