VOLKER SCHLÖNDORFF: „LICHT, SCHATTEN UND BEWEGUNG"

Sieben Jahre hatte Volker Schlöndorff bereits an den Vorbereitungen des Films „Die Päpstin" gearbeitet, dann wurde er überraschend aus dem Projekt entlassen. Plötzlich hatte er mit 68 genau die nötige Zeit der Muße, um die lange angedachte Autobiographie zu schreiben. Dafür hatte er nicht nur eine Fülle von sehr lebendigen Erinnerungen sondern auch einen alten Dachkammerschatz an Tagebüchern und dergleichen zur Verfügung.

Licht, Schatten und Bewegung. Mein Leben und meine Filme" hat Schlöndorff diesen Farbfilm eines bewegten Lebens genannt und er bezeichnet es im Rückblick mit gewisser Gelassenheit einen Abenteuerspielplatz. Der begann im März 1939, als er in Wiesbaden geboren wurde als Sohn eines hessischen Landarztes, eines Vaters, der spürbar eine der wundesten Narben auf der Seele des Regisseurs hinterließ, weil er das umfangreiche Schaffen des Sohnes trotz Welterfolgen nie recht anerkannte.

Bunt erzählt der Cineast, schonungslos selbstkritisch und mit erfreulich geringer Eitelkeit. Geradezu romanhaft entwickelt sich seine Vita schon früh, als er sich als Jugendlicher von zuhause absetzt und an einem Jesuiteninternat in der Bretagne die Schulzeit beendet. Schon während des Studiums in Frankreich schnuppert er intensiv die Luft der dortigen Filmwelt und gerät an Meister wie Alain Resnais, Jean-Piere Melville und vor allem den für ihn so prägenden Louis Malle. Bereits 1965/66 dreht er dann seinen ersten eigenen Spielfilm „Der junge Törleß".

Schlöndorff schafft einen echten Geniestreich, denn der Film, für den er auch das Drehbuch verfasste, gewann gleich die Goldene Palme in Cannes. Wie das vor sich ging, schildert der Regisseur mit viel Ironie, wie er auch zuvor die Lehrjahre ebenso filmreif Revue passieren lässt wie dann die Neuerfindung des Kinos im restaurativ verstaubten bundesrepublikanischen Filmwesen, als er gemeinsam mit Ulrich Schamoni und Alexander Kluge quasi den 'jungen deutschen Film' erfand. Hier wird die Autobiographie endgültig zur spannenden Zeitreise nicht nur durch die 60er und 70er Jahre, denn Schlöndorff füllte ja eine wichtige Funktion in den Umbrüchen der 68er-Zeit aus bis hin zu Filmen wie der Böll-Verfilmung „Die verlorene Ehre der Katahrina Blum" .

Natürlich findet die andere erfolgreiche Literaturverfilmung einen würdigen Raum, schließlich gewann er mit der Grass-Adaption „Die Blechtrommel" (1979) nicht nur den ersten Nachkriegs-Oscar für einen deutschen Film, sie prägte unvermeidlich auch sein weiteres Leben stark. Einschließlich seines Privatlebens mit Höhen und Tiefen, die er offen aber stilvoll beschreibt. Ehen und Affären brachten Verwundungen mit sich, doch dem Scheitern stand wie in der Filmarbeit immer auch ein Neuanfang gegenüber.

Für Filmliebhaber aber dürften die eingehenden Schilderungen und die Einblicke in die cineatische Arbeit das Beeindruckendste an dieser hochklassigen Autobiographie samt ihrer vielen, teils durchaus süffisanten Schlaglichter auf manche Größen der Branche sein. Fazit: ein filmreif erzähltes Leben, alles ist mindestens subjektiv wahr und zugleich ein großes Lesevergnügen.

 

# Volker Schlöndorff: „Licht, Schatten und Bewegung. Mein Leben und meine Filme"; 472 Seiten, div. Abb.; Carl Hanser Verlag, München; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 229 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de