R. ISAU: „DER MANN, DER NICHTS VERGESSEN KONNTE"

Einen Thriller der Sonderklasse legt Erfolgsautor Ralf Isau mit seinem neuen Roman „Der Mann, der nichts vergessen konnte" vor. Und einmal mehr stehen im Mittelpunkt ein Mensch mit Sonderbegabung und aktuelle Vorgänge, die die Welt verändern könnten.

Tim Labin ist dieser titelgebende Mann, dessen Gedächtnis blitzschnell alles aufnimmt und nie wieder vergisst. Das macht ihn schon in ganz jungen Jahren zum erfolgreichen Wissenschaftler, Sprachgenie und Schachweltmeister. Doch ausgerechnet Labin hat eine gravierende Erinnerungslücke: alles, was vor dem 10. November 1989 geschah, als er in der Nacht der Maueröffnung durch einen grausamen Mord mit neun Jahren zur Waise wurde, unterliegt einer totalen Amnäsie. Das Geheimnis dahinter aber wird von mächtigen Institutionen gehütet und seine Aufdeckung könnte nicht nur für Labin höchst gefährlich werden.

Zunächst jedoch agieren andere Figuren auf ähnlicher Basis, denn eine Spezialabteilung des geheimsten aller US-Geheimdienste, der NSA, unter Leitung des charismatischen Dr. Kogan – auch „die Eule" genannt – übt präventiv aber folgenreich eine Cyberwar-Attacke, bei der auf raffiniertem Weg per Internet eine globale Wirtschaftskrise ausgelöst wird. Währenddessen tritt ein Professor der Universität Cambridge an den extrem kontaktscheuen Labin heran – der soll ein aberwitzig verschlüsseltes altes Dokument entschlüsseln. Die Unmöglichkeit der Aufgabe reizt das Gedächtnisgenie tatsächlich, nach England zu gehen, denn es geht um die Hinterlassenschaft des mysteriösen Thomas Jefferson Beale.

Und es reizt Labin die Begegnung mit Dr. Jamila Jason, einer ebenso hochintelligenten wie attraktiven Historikerin. Die allerdings in der Hauptsache die überaus fähige Mitarbeiterin der „Eule" ist. Die Beteiligung der NSA-Agentin ist naheliegend, geht es doch bei den Beale-Papieren um die brisante Urschrift der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Könnte die bekannte Ausfertigung eine Fälschung sein und die Originalfassung lediglich ein Toleranzabkommen der Kolonien mit der Kolonialmacht England zur Erleichterung des Handels, die erst nach der unbeabsichtigten Auslösung des Unabhängigkeitskrieges unterdrückt wurde?!

Was politisch eher banal erscheint, könnte in der bereits durch Cyberattacken dunkler Mächte verschärften Weltwirtschaftskrise dramatische Folgen haben. Und je näher Labin dank seiner genialen Kombinationsfähigkeiten der Wahrheit kommt, desto drastischer werden die nun sehr handfesten Angriffe von fremder Seite. Nur knapp kann die Agentin Labin vor Auftragskillern retten und ihn im Chaos des zusammenbrechenden Weltverkehrs nach Washington schleusen, wo er seine Arbeit unter äußerstem Schutz fortsetzen soll.

Längst ist er ein Gefangener der Institutionen geworden und auch in den geschickt eingebauten intellektuell gefärbten Ruhephasen geht der Wettstreit der Köpfe weiter. Labin entdeckt nicht nur seine unmittelbare Beziehung zu den mysteriösen Rosenholz-Dateien, die die USA bei der Auflösung der Stasi erbeuteten, er stößt auch immer intensiver auf die wie ein Geheimbund agierende Studentenverbindung „Skulls & Bones" der Yale Universität und ihre ebenso mysteriösen wie einflussreichen Machenschaften. Und dem Leser sei zur Steigerung des faszinierenden Lesevergnügens Folgendes verraten – dieser „Orden des Todes" existiert wirklich und zu den mächtigsten Männern, die aus ihm hervorgingen, gehören die Präsidenten Taft sowie Bush senior und junior!

Mehr aber sei hier nicht verraten von diesem bis zuletzt fesselnden Reißer, der auch ansonsten mit beängstigend realer Logik glänzt. Fazit: mit diesem filmreifen Roman auf hohem Niveau hat sich Isau endgültig in die Champions League der Thriller-Autoren geschrieben.

 

# Ralf Isau: Der Mann, der nichts vergessen konnte; 461 Seiten; Piper Verlag, München; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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