STEVE COLL: „DIE BIN LADENS"

Osama Bin Laden ist das Schreckgespenst unserer Zeit, ein menschenverachtender Fanatiker mit einer mittelalterlichen Vorstellungswelt und zugleich dem nüchtern kalkulierenden Geschäftssinn eines modernen Firmenbosses, mit den vernagelten Moralvorstellungen eines lebensfeindlichen Taliban und zugleich versiert im Gebrauch modernster Technik sowie den Mitteln westlicher PR. Doch woher kommt dieser gefährlichste Feind westlicher Vorstellungen von Freiheit und Menschenrechten und was ließ ihn zum Terroristen werden?

Steve Coll, zweifacher Pulitzer-Preisträger und Top-Journalist, hat mit einem ganzen Team 150 Interviews in 16 Ländern geführt und jahrelang das Umfeld des mysteriösen al-Quaida-Führers recherchiert. Als hochspannendes Ergebnis legt er seine Studie über „Die Bin Ladens" vor, nicht nur das derzeit wohl detaillierteste psychologische Porträt des im Untergrund regierenden Saudis, sondern zugleich die außergewöhnliche Saga dieser in vielem so typischen arabischen Aufsteigerfamilie. Deren Begründer Mohammad Bin Laden wanderte aus dem Yemen ein und arbeitete sich vom Habenichts zum millionenschweren Baulöwen hoch. Der zwar religiöse aber weltoffene Patriarch zeugte mit seinen 22 Ehefrauen 54 Kindern und Osama war dabei Sohn Nummer 18.

Das mit bellestristischer Lebendigkeit verfasste Buch eröffnet erstaunliche Aspekte über die intensiven Verflechtungen des Bin-Laden-Clans gerade mit den USA, wo der Familienkonzern Shoppingcenter, Immobilien und private Gefängnisse besitzt und wo er sogar Hollywood-Filme finanziert. Als Patriarch Mohammad 1967 mit dem firmeneigenen Flugzeug abstürzte, folgten die Söhne Salem und Bakr und machten den Namen „Bin Laden" international hoffähig. Vor allem der leichtlebige aber clevere Salem gab sich ausgesprochen pro-amerikanisch. Als auch er 1988 bei einem Flugzeugabsturz starb, übernahm der eher frankophone Bakr die Führung. Immerhin gehören zum Freundeskreis eines Teils der Familie Ex-Präsidenten wie Jimmy Carter und Bush senior und für ihre Ausbildungen bevorzugten sie US-Universitäten.

Und Osama? Wann und weshalb entwickelte der als weich und höflich beschriebene Geschäftsmann seinen aggressiven Fanatismus und die mönströse kriminelle Energie? Und diesen geradezu psychopathischen Hass auf genau jene westliche Welt, mit der ein großer Teil seiner Clans gern und genießerisch Geschäfte treibt? Konkret wird, dass Osama für das saudische Königshaus gearbeitet hat und durchaus erfolgreich war mit viel Geschäftssinn und Gespür für Marketing, wie er es später als Terroristenführer immer wieder demonstrierte. Fest steht auch, dass er 1991 noch Anteilseigner der Bin Laden Group war, als er sich in den Sudan absetzte, wo er sich eine Farm kaufte und Pferde züchtete, während er zugleich Dschihadisten-Kämpfer trainierte.

Dieses Porträt brilliert mit seinen brillanten Charakterisierungen des Clans und dem Faktenreichtum ebenso wie mit seinem eleganten Stil. Bei all den tiefen Einblicken in Osamas Werdegang und seine Finanzen bleiben gleichwohl Fragen offen und vor allem eine wird wohl auf Dauer nur spekulativ beantwortet werden können: wie wurde der hoffnungsvolle Spross zum gefährlichsten Terroristen der Neuzeit? Fazit: ein faszinierender Blick hinter die Kulissen eines reichen arabischen Clans mit dem denkbar schwärzesten aller Schafe in seinen Reihen.

 

# Steve Coll: Die Bin Ladens (aus dem Amerikanischen von Werner Roller, Stephnaie Singh und Violetta Topaleva); 736 Seiten; DVA, München; € 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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