INGRID NOLL: „KUCKUCKSKIND"

An einem schwarzen Montag kommt die knapp 40-jährige Deutschlehrerin Anja unversehens früher nach Hause, weil eine Chorprobe ausfällt. Und es passiert, was nach der Wahrscheinlichkeit ein absolut naheliegender Zufall ist: sie erwischt ihren Gatten Gernot mit einer anderen Frau, eindeutig. Mit dem zuvor frisch aufgebrühten Tee besiegelt Anja die schnöde gebrochene Ehe auf eine für die Erwischten schmerzhafte Weise.

So fast alltäglich beginnt Ingrid Nolls neuer Roman „Kuckuckskind", der trotz zweier späterer Todesfälle kein Krimi aber gleichwohl ein lebensnahes Drama ist, das die Erfolgsautorin mit der gewohnten hintergründigen Spannung und subtilem Humor entwickelt. Hier zieht sich die schwer gekränkte Anja, deren Traum von Ehe und Kindersegen endgültig untergegangen ist, erst einmal wie gelähmt zurück. Bis ihre zumindest vordergründig beste Freundin und Kollegin Birgit, die nie Kinder wollte, auf einmal schwanger ist.

In Anja nagt der durchaus nicht abwegige Verdacht, ihr ungetreuer Noch-Ehemann könnte der Erzeuger sein. Das bringt die sonst so Betuliche derart in Wallung, dass sie Birgits Ehemann zu einem Vaterschaftstest überredet. Als sie dann auch noch einschlägiges Material ihres Ex besorgt für einen weiteren, anonymen Vaterschaftstest, setzt sie ein ungeahntes Karussell in Gang, das zwei Menschen das Leben kostet und ausgerechnet ihr selbst ein Baby beschert.

Dieser Roman lebt von Mensch-Allzumenschlichem und verdankt seine Klasse der Raffinesse seiner feinen Verstrickungen, Indiskretionen und den wie immer exquisiten Charakterzeichnungen. Das überzeugt auch dank solcher aktuellen Themen wie unerfüllten Kinderwünschen, dem Ticken der biologischen Uhr und dem allgemeinen Trend zur Patchwork-Familie. Fazit: kein Krimi, dennoch ein spannendes Lesevergnügen nicht nur für Lehrerinnen in der Mitte des Lebens.

 

# Ingrid Noll: Kuckuckskind; 339 Seiten; Diognenes Verlag, Zürich; € 21,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 564 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de