BERLIE DOHERTY: „DAS MÄDCHEN, DAS LÖWEN SAH"

Um die sehr unterschiedlichen Schicksale von zwei Mädchen, die nach spannenden und leidvollen Umwegen zu Schwestern werden, dreht sich Berlie Dohertys neuer Kinder- und Jugendroman „Das Mädchen, das Löwen sah". Rosa lebt mit ihrer Mutter Jenny, einer Lehrerin, allein im englischen Sheffield, nachdem ihr Vater aus Heimweh in seine Heimat Tansania zurückgekehrt ist.

Die neunjährige Abela lebt in einem Dorf in eben jenem afrikanischen Land in der ärmlichen kleinen Lehmhütte der Großmutter. Ihr Vater ist tot und nun sterben auch ihre Mutter und ihre kleine Schwester an Aids. Auf dem Heimweg von der primitiven Krankenstation begegnet Abela Löwen, doch sie fürchtet sich nicht, denn die letzten Worte der Mutter waren, sie solle stark sein.

Während ihr Onkel, ein übler Mensch, mit Tricks und Gaunereien nun versucht, mit einer jungen Frau und Abela als angeblicher gemeinsamer Tochter nach England einreisen zu können, erlebt dort Rosa einen Schock: ihre Mutter, ihre beste Freundin, will ein Kind aus Tansania adoptieren. Sie fühlt sich sehr verletzt: genügt sie der Mutter nicht mehr? Und was würde die wohl sagen, wenn sie sich eine andere Mutter adoptieren würde?! Erst mühsam und durch einschneidende Erlebnisse freundet sich Rosa ganz langsam mit dem Gedanken an eine neue Schwester an.

Für Abela aber gibt es viel Schlimmeres zu durchleiden, denn als sie tatsächlich mit falschem Pass jedoch ohne den Onkel nach England gelangt, wird sie von dessen Partnerin wie eine Sklavin gehalten. Dabei wollte sie doch seit dem hilflosen Sterben der Mutter nur noch eines – zur Schule gehen, um eines Tages Ärztin zu werden. Als es ihr endlich gelingt zu fliehen, stößt sie glücklicherweise auf die sehr verständnisvolle Sozialarbeiterin Misses Carrington, die dafür sorgt, dass Abela in England bleiben kann. Zumal daheim auch noch die Großmutter gestorben ist. Nach weiteren Umwegen kommt Abela schließlich zu Rosa und die Mädchen gewöhnen sich schnell aneinander.

Der Autorin ist es gelungen, athmosphärisch dicht und ohne erhobenen pädagogischen Zeigefinger den aufwühlenden inneren Kampf Rosas und noch mehr die große Einsamkeit und Hilflosigkeit Abelas spürbar zu machen. Fazit: ein mit feiner Dramaturgie und tiefer Menschlichkeit geschriebener Roman, der nicht nur junge Leser ab etwa zehn Jahre fesseln dürfte.

 

# Berlie Doherty: Das Mädchen, das Löwen sah (aus dem Englischen von Franca Fritz u. Heinrich Koop); 255 Seiten; Arena Verlag, Würzburg; € 12,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

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