GEORGE HAGEN: „TOM BEDLAM"

Eine bewegende Geschichte, die im viktorianischen London beginnt und über viele Stationen bis in den Ersten Welkrieg und wieder nach England führt, hat George Hagen in seinem zweiten Roman „Die zwei Leben des Tom Bedlam" geschrieben. Zu Beginn ist der Titelheld ein neunjähriger Junge, dessen Vater sich als Schmierenkomödiant und Taugenichts davongemacht hat, während seine Mutter sich in einer Fabrik zu Tode schuftet.

Tom ist zehn, als er erstmals diesen Vater sieht, nur ihm ihn kurz als Gauner zu erleben, und kaum zwölf geworden, stirbt die grundgütige Mutter. Sie hinterlässt ihm nichts als den unerschütterlichen Glauben an das Leben und vielleicht ist es dieser besondere Funke, der dem Jungen bei allen Härten doch immer wieder glückliche Fügungen beschert. Er findet nicht nur wohlmeinende Pflegeeltern in den Limpkins, deren Tochter Audrey später seine große Liebe wird, er erhält sogar ein Stipendium an einer Internatsschule. Auch hier durchleidet er düstere Seiten und glaubt seitdem außerdem, einen durch frühe Adoption verlorenen Bruder entdeckt zu haben.

Als junger Erwachsener schafft er sogar ein Medizinstudium, erlebt jedoch eine große Enttäuschung, als die geliebte Audrey sich weigert, seine Frau zu werden. Tom beschließt,, die Heimat zu verlassen und nimmt eine Anstellung in Südafrika an. Dass er dabei zum Abschied noch Lizzie, die charmante und in ihn verliebte Tochter seines Professors mitnimmt, ist eine der letzten dieser Fügungen, die ihm eher zustoßen, als dass er sie beeinflusst hätte. Und mit diesem großen Szenenwechsel setzt auch das zweite Leben Toms ein.

Ein ruhiges Familienglück ist ihm beschieden, das zunächst nur durch seine Erlebnisse im Burenkrieg erschüttert wird – das allerdings so intensiv, dass er darüber den Glauben an Gott verliert. Als dann auch noch Lizzie auf den Tod erkrankt, muss Tom sein Schicksal immer mehr selbst in die Hand nehmen und lernen, mit den Narben der Vergangenheit zu leben. Die, unter denen er am meisten leidet, ist die Art, wie ihn sein Vater verlassen hat, und jene Abweisung durch Audrey. Ihr spärlicher aber nie abreißender Briefwechsel zeigt ihm jedoch auch schmerzlich, welch unsägliches Leid die noch immer geliebte Frau durchmachen muss.

Schließlich bricht der Erste Weltkrieg aus und nachdem sich Toms Kinder ohnehin schon selbständig gemacht hatten, zieht sein kriegsbegeisterter Sohn Arthur heimlich an die Front in Europa. Ein Grund für Tom, nach über 30 Jahren erstmals wieder in die Heimat zu fahren, mit dem einen Ziel, den Sohn zu retten. Ein Kreis schließt si ch auf überzeugende Weise und rundet einen Roman ab, der in genau dem viktorianischen Erzählstil der Epoche verfasst ist, die er schildert. Das ist wunderbar altmodisch geschrieben und zugleich dank der hinreißenden Sprache und der exzellenten Charakterzeichnungen so modern geraten, als hätte sich Charles Dickens mit John Irving zu einer bis zur letzten Zeile fesselnden Familiensaga zusammengetan.

 

# George Hagen: Die zwei Leben des Tom Bedlam (aus dem Amerikanischen von Sibylle Schmidt); 493 Seiten; Goldmann Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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