JOHN BURNSIDE: „DIE SPUR DES TEUFELS"

Zum ersten Mal ist ein Roman des schottischen Erfolgsautors John Burnside auf Deutsch erschienen und er offenbart eine echte Entdeckung. „Die Spur des Teufels" ist eine packende Geschichte um Schuld und Sühne, um Einsamkeit und Fremdbestimmung. Düster wie in einem Schauerroman führt der Autor zunächst mit suggestiver Kraft in ein unwirkliches Geschehen, wenn in dem kargen Fischernest Coldhaven erstmals seit Jahrzehnten wieder schwerer Schneefall alles zudeckt und die Frühaufsteher eine unheimliche Spur quer durch den Ort entdecken.

Dann jedoch geht der ebenso lakonische wie präzise Ich-Erzähler Michael Gardiner direkt in die realen und allzu menschlichen Teufelsspuren all jener Geheimnisse, die in jedem Einzelnen schlummern. Gardiner, Mitte 30 und ein mäßig betuchter Müßiggänger, lebt mit Ehefrau Amanda in einer allenfalls zeitweise fast glücklich gewesenen Ehe in dem Haus am Rande Coldhavens, das ihm seine Eltern hinterließen. Die waren Künstler von außerhalb und hatten sich hier dauerhaft angesiedelt, obwohl die dumpfsinnigen Dörfler sie mit unverhohlener Aggressivität als Außenseiter ablehnten.

Michael wird nun durch eine Zeitungsmeldung aus seiner Eigenbrötelei aufgeschreckt: seine Jugendliebe Moira hat sich und ihren beiden Söhnen auf grausige Weise das Leben genommen und außer ihrem versoffenen Ehemann auch die 14-jährige Tochter Hazel hinterlassen. Sofort steigen im Ich-Erzähler längst verdrängte Erinnerungen auf, denn Moira war nicht nur seine erste richtige Freundin sondern auch die Schwester von Malcolm Kennedy. Der hatte den schüchternen, damals 13-jährigen Michael mit unablässiger Bösartigkeit gequält. Bis der introvertierte Sohn der Außenseiterfamilie grausame Rache übte und ihn kaltblütig in eine tödliche Falle lockte.

Mit niemandem konnte er dieses Geheimnis jemals teilen und so bleibt die Schuld tief in ihm verborgen. Nun jedoch wird sie wieder lebendig und ein anderer Gedanke gesellt sich geradezu obsessiv hinzu: dass Hazel seine Tochter sein könnte, dass sie seine Tochter ist. Und der spröde Einzelgänger knüpft zielstrebig Kontakt zu ihr, die mit ganz anderen Hintergedanken allmählich auch darauf eingeht. Das gipfelt in einer gemeinsamen Flucht, ziellos, unwirklich, bizarr. Doch nur scheinbar tut sich hier eine Lolita-Romanze auf, denn es gibt keinerlei Intimitäten und die kleine Schlampe erweist sich nicht nur als eher langweilig, Michael begreift schließlich sogar, dass er sie gar nicht mag.

Als sie ihn dann auch noch schnöde düpiert, nimmt er es wie eine seit langem erwartete Sühne fatalistisch hin. Endlich heimgekehrt in das von Amanda inzwischen verlassene Elternhaus, hat er irgendwie nach langer Wanderschaft durch die eigene Fremdheit zu sich selbst, in seine eigene Welt zurückgefunden. Mit zwingenden Szenen und starken Bildern erzählt der so Geläuterte das Alles und zieht den Leser in den Bann einer großartigen Erzählkunst voller Athmosphäre und im Wissen um die dunklen Abgründe jedes Einzelnen. Fazit: ein virtuoser subtiler Thriller von archaischer Kraft und Poesie und obendrein meisterhaft ins Deutsche übertragen.

 

# John Burnside: Die Spur des Teufels (aus dem Englischen von Bernhard Robben); 255 Seiten; Knaus Verlag, München; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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