BERNHARD SCHLINK: „DAS WOCHENENDE"

30 Jahre nach dem Deutschen Herbst von 1977 bewegte die Diskussion um die Begnadigung des Terroristen Christian Klar die Gemüter, die bekanntlich wegen einer ominösen Grußadresse des Inhaftierten vom Bundespräsidenten abgelehnt wurde. Bernhard Schlink stellt in den Mittelpunkt seines neuen Romans „Das Wochenende" ein Alter Ego zu Klar, mit dem entscheidenden Unterschied, dass dieser Jörg nach über 20 Jahren tatsächlich in die Freiheit gelangt.

Am Freitagmorgen holt ihn seine Schwester vom Gefängnis ab und bringt ihn in ein altes Landhaus im Brandenburgischen. Zur Feier der Freilassung hat sie außerdem Freunde und Weggefährten aus jenen wilden Jahren der 68er-Zeit eingeladen. Während sich Jörg spröde und ungelenk gibt, stellen sich die Freunde als in die Jahre gekommene Politakteure dar, die alle etwas geworden sind. Selbst die kleine Mitläuferin Ilse erweist sich als ledige Lehrerin, die quasi als Roman im Roman die seltsam verquälte Geschichte eines Terroristen aufs Papier fantasiert.

An diesem Wochenende prallen allerlei Lebenslügen der längst bürgerlich gewordenen Endfünfziger aufeinander. Die Erinnerungen sind durch die Jahre gewissermaßen bereinigt und manche kruden Aktionen oder Verhaltensweisen verlieren die Ernsthaftigkeit des damals oft so folgenreichen Rigorismus. Jörg, der quasi keinen anderen Lebensinhalt als sein Mittun an den extremideologischen Narreteien von Mord und Terrorismus sowie seine Haftzeit hatte, steht dieser Nostalgie vage, schwerfällig im Denken und Sprechen gegenüber. Aus dem Staatsfeind Nummer 1 ist ein Schatten von gestern geworden, noch kleiner als seine wahre Größe von damals.

Schärfe kommt in dieses eigenartig melancholische Kammerspiel nicht nur durch einige drastische Fragen wie der nach dem Empfinden beim Morden. Es taucht unerwartet auch der Sohn Jörgs auf, der dem nie gekannten Vater in nachvollziehbarer Arroganz vorwirft, in seinem RAF-Wahn moralisch um nichts besser gewesen zu sein als die Schergen der SS. Schuld und Verstrickung durchziehen diesen glaubwürdigen Roman und lassen rückschauend Verwunderung aufkommen, wie so wenige fanatisierte Wirrköpfe das demokratischste aller bisherigen deutschen Staatswesen derartig an den Rand der Rechtsstaatlichkeit bringen konnten.

Erinnert man sich dann an die Aussagen des authentischen Christian Klar aus dem letzten Jahr, kann man nur fragen: War es das wert? Kann es das wert sein? Schon aus diesem Grunde ist dieses Buch so wichtig und gut geschrieben ist es in seiner schnörkellosen, sachlichen Sprache ohnehin.

 

# Bernhard Schlink: Das Wochenende; 225 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 18,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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